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London Killing - Harris, O: London Killing - Belsey Bottoms Out

London Killing - Harris, O: London Killing - Belsey Bottoms Out

Titel: London Killing - Harris, O: London Killing - Belsey Bottoms Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Harris
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mittleren Alters auf einem Drehstuhl. Er trug einen Anzug, und in seiner aufgeschlitz ten Kehle wimmelte es von Maden. Der fensterlose Raum war ausgestattet wie ein Schutzraum: elektromagnetische Schlös ser, ein Telefon und zwei klobige Überwachungsmonitore auf einem kleinen Schreibtisch. In der Ecke befand sich eine chemische Toilette, daneben standen ein Kasten Mineralwasser und ein Karton Konserven. Das Blut war bis zur Decke hochgespritzt. Die blassen braunen Tropfen waren an den Wänden hinuntergelaufen, bis der Schwerkraft die Lust vergangen war.
    Belsey ging wieder nach unten.
    Beim Anblick einer Leiche war ihm noch nie schlecht geworden, und er würde auch jetzt nicht damit anfangen. Er ging in den Garten, stützte sich mit einem Knie auf den Boden und atmete die kühle frische Luft ein. Trotzdem gelang es ihm nicht, den Geruch aus seiner Nase zu vertreiben. Er holte aus Devereux’ Garderobenschrank einen Schal, machte sich in der Küche einen starken Kaffee und trank ihn halb aus. Als die andere Hälfte etwas abgekühlt war, tränkte er damit den Schal und band ihn sich um Mund und Nase. Unter dem Spülbecken fand er ein Paar Gummihandschuhe und ging wieder nach oben.
    Der Kupfergeruch des Blutes mischte dem ekelerregend süßlichen Verwesungsgestank eine dunkle Note bei. Das Blut der Halsschlagader kann bis zu sechs Meter in die Höhe spritzen. Es war von der Decke auf sein Gesicht getropft, war in Streifen über seinen Kopf gelaufen, hatte die Hemdbrust besprenkelt. Die Augen waren von einem trüben gelben Film überzogen. Der Mann war stämmig, das schüttere, blond schimmernde Haar kurz geschoren und das rasierte Gesicht mit einem Hauch postmortaler Bartstoppeln bedeckt. Gase hatten die Leiche aufgebläht. Trotzdem konnte man noch das ausdrucksstarke Gesicht mit seiner kräftigen Nase und dem vollem Mund erkennen – wie bei einem Kaiser aus dekadenten Zeiten. Er hatte über die Kraft verfügt, einen tiefen Schnitt zu setzen, und das hatte er mit Gefühl getan. Bel sey war unwillkürlich beeindruckt. Unter der rechten Hand lag ein Schälmesser auf dem Boden.
    Auf dem Schreibtisch vor der Leiche lag eine dünne, blut verschmierte Broschüre. Bestattungsunternehmen Reflections, Motto: »Für alles ist gesorgt.« Die Vorderseite zierte ein Foto von zwei auf einer Wasserfläche treibenden Schwänen. Innen waren unterschiedliche Preise für Verbrennungen und Be stattungen aufgeführt, die sich im Schnitt auf zweieinhalbtau send inklusive Zinsen beliefen. Man zahlte in Raten. »Es ist ein gutes Gefühl, zu wissen, dass alles geregelt ist, dass nichts unbedacht geblieben ist, dass die Familie keinen unnötigen Kummer haben wird.« Alles geregelt, dachte Belsey. Familie? Devereux’ Familie war Welten entfernt. Devereux hatte einen Scheck von seinem Girokonto in England in Höhe von dreitausendzweihundert Pfund an die Broschüre geklemmt – Datum von vor vier Tagen, Empfänger Reflections Ltd.
    Belsey wischte mit der Broschüre die Maden von der Hals wunde. Devereux hatte mehrere Schnittwunden – kurze parallele Schnitte weit oben unter dem linken Ohr: die Probierschnitte, mit denen sich der Selbstmörder an den entscheidenden Schnitt herantastet. Beim vierten Versuch hatte er tief eingeschnitten, so tief, dass er gar nicht mehr über den ganzen Hals gekommen war. Der Einschnitt wurde flacher und endete unter dem Kehlkopf. Trotzdem hatte es ge reicht. Es gab keine anderen Verletzungen – keine Abwehr verletzungen an Armen oder Händen. Belsey drängte es nicht gerade danach, sich die Larven in den Nasenlöchern des Man nes genauer anzuschauen. Aber er zwang sich. Sie schienen sich wohlzufühlen, noch nicht geschlüpft, über einen Zen timeter lang. In versiegelter Umgebung, bei winterlichen Temperaturen, ließ das auf einen Tod vor etwa drei bis fünf Tagen schließen.
    Belsey schaute sich die elektronische Ausstattung des Raums an. An der Videoüberwachungsanlage klebte ein Schildchen mit der Aufschrift »British Security Technologies«. Die Anlage war ausgeschaltet. Belsey schaltete sie ein und überprüfte das Aufnahmeverzeichnis. Es war leer. Er schaltete die Anlage wieder aus und dachte darüber nach. Sicher, als Polizist wusste er, dass Sicherheitsanlagen wesentlich öfter gekauft als eingesetzt wurden. Aber die meisten filmten auch nicht mehrere Millionen Pfund.
    Er durchsuchte den Anzug. Die Taschen waren leer.
    Er verließ den Schutzraum und wischte seine Fingerabdrü cke von Devereux’

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