London Killing - Harris, O: London Killing - Belsey Bottoms Out
ausgestellt worden war. Sie gab ihm auch sein Geburtsdatum: 2. Februar 1957. Er war also zweiundfünfzig Jahre alt gewesen, als er sich das Leben genommen hatte.
Im Handelsregister für das Vereinigte Königreich gab es keine amtliche Eintragung für AD Development, was bedeu tete, dass das Unternehmen keine Aktiengesellschaft war: keine Aktionäre, keine Ausschüttungen. Das war seltsam, aber es kam vor.
Das Telefon klingelte. Es hörte nicht auf. Er ging in Devereux’ Schlafzimmer auf und ab und ließ es klingeln. Er schaute sich die Rechnung von RingCentral (»Ihr Telefonanbieter. Überall«) an. Sie weckte seine Neugierde. RingCentral hatte eine Dienstleitung für Firmenkunden im Angebot, die die Weiterleitung von Anrufen wünschten. Belsey vermutete, dass der Service von Unternehmen genutzt wurde, die den Firmensitz wechselten oder unterbesetzt waren. Er dachte an Sophie, die allein im Büro von AD Development saß.
Das Klingeln hörte auf. Belsey nahm das schnurlose Telefon vom Nachttisch. Er hatte es noch nicht benutzt. Er drückte auf den Knopf für Wahlwiederholung. Die letzte von diesem Apparat angerufene Nummer wurde gewählt. Eine Frau meldete sich.
»Hallo?«
»Hi«, sagte Belsey.
»Bist du das?«, sagte die Stimme. Im Hintergrund hörte er Straßenlärm und Gelächter. Er legte auf. Ein paar Sekunden später rief er im Leichenschauhaus St. Pancras an.
»Bei euch müsste jeden Augenblick eine Leiche reinkommen: ein Alexei Devereux. Bei folgender Adresse arbeitet jemand, der ihn identifizieren kann. Fahrt dahin.« Er gab die Büroadresse von AD Development durch. »Das ist Devereux’ Büro in der City. Da findet ihr ein Mädchen, das für ihn gearbeitet hat. Sie heißt Sophie. Den Nachnamen weiß ich nicht.«
»Okay.«
»Sie weiß noch nichts, seid also behutsam.«
»Natürlich.«
Als Belsey noch Streifenpolizist gewesen war, hatte man gewöhnlich ihn geschickt, um die Nachricht zu überbringen. Man hatte ihm den Spitznamen »Todesengel« verpasst, weil er sich immer freiwillig dazu gemeldet hatte. Einer musste es ja tun, und seine Kollegen waren ihm dankbar. Es lag eine sehr bittere Befriedigung in einer Arbeit, die kein gutes Ende nehmen konnte, woran er aber keine Schuld hatte. Es war schon eine Zeit her, dass er einen solchen Besuch gemacht hatte.
Er ging ins Arbeitszimmer und setzte sich mit den Unterlagen, die er aus dem Büro von AD Development hatte mit gehen lassen, an den Schreibtisch. In den Papieren ging es um Anfragen und Angebote, und er stieß auf jede Menge Abkürzungen: SSI International, NK Trading, Saud Hol ding, LV Media, die alle in Zusammenhang mit Beteiligungen an einer geschäftlichen Unternehmung von AD Development standen. Anscheinend wollte ein Haufen Leute bei Alexei Devereux investieren. Er wiederum war immer auf der Suche nach einem Geschäft. Ein Stapel Briefe befasste sich mit Anfragen für Land in Scharm El-Scheich und Abu Dhabi. Anscheinend war er in vielen Geschäftsbereichen aktiv: Banken, Sport, Medien, Hotels, Glücksspiel. Dann hatte er selbst ja auf gewisse Weise auch zu Devereux’ Vermögen beigetragen, dachte Belsey. Zumindest ein Hauch von ausgleichender Gerechtigkeit, egal, für welche Strategie er sich noch entscheiden würde.
In vielen Schriftstücken, hauptsächlich in Zusammenhang mit älteren Geschäften, tauchte der Name Alexei Demochev auf: in Faxnachrichten und Schriftwechseln mit russischen Anwälten und Steuerprüfern, die manchmal in Kyrillisch, manchmal in Englisch oder Französisch verfasst waren. Belsey überprüfte die Nummer des alten Faxgeräts. Es war das Gerät, an das die Nachrichten geschickt worden waren.
Ganz unten in dem Papierstapel fand er eine lose Seite aus einer arabischen Zeitung. Fast hätte Belsey sie weggeworfen, als er sah, dass ein Artikel mit blauem Kuli eingekringelt war. Neben dem etwa zehn Zentimeter hohen Text aus arabischen Schriftzeichen war ein kleines grobkörniges Schwarz- Weiß-Foto abgedruckt, das einen arabisch aussehenden Mann in einem hellen Anzug zeigte, der einem blonden Mann mit randloser Brille die Hand schüttelte. Der Blonde war jün ger. Beide lächelten. Am oberen Ran d der Seite stand in römischen Ziffern das Datum: Montag, 9. Februar. Drei Tage alt.
Der blaue Kreis um den Artikel und die zeitliche Nähe zu Devereux’ Selbstmord verliehen dem Zeitungsausschnitt eine nachdrückliche Bedeutung. Konnte Devereux Arabisch? Die Undurchdringlichkeit der Schrift war frustrierend. Belsey holte
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