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London NW: Roman (German Edition)

London NW: Roman (German Edition)

Titel: London NW: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zadie Smith
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schlimm daran?
    Was sind die so rot?
    Weiß ich nicht. Ich glaube, ich mag Rot.
    Gut, aber was müssen die so leuchten? Kann man sich ja gar nicht mit verstecken.
    Ich will mich auch nicht verstecken. Ich glaube nicht, dass ich mich verstecke. Warum verstecken wir uns?
    Frag lieber nicht.
    Er setzte sich auf die nasse Steinstufe. Rieb sich die Augen, seufzte.
    Ich wette, da im Wald wohnen Leute, blud.
    In der Hampstead Heath?
    Ja. Weit drinnen.
    Kann sein. So was weiß ich nicht.
    Leben da wie die Tiere. Haben genug von der Großstadt. Ich hab gerade auch echt die Schnauze voll davon. Das Pech verfolgt mich, Keisha. So sieht’s aus. Nicht ich folge dem Pech. Es verfolgt mich.
    Ich glaube nicht an Glück oder Pech.
    Solltest du aber. Das regiert die Welt.
    Er fing wieder an zu singen. Zu singen und zu rappen, aber beides so leise und traurig und ähnlich, dass Natalie den Unterschied kaum wahrnahm.
    Da kommt schon wieder dieser scheiß Hubschrauber.
    Während er noch sprach, zog er ein Päckchen Golden Virginia aus der Tasche und strich ein Rizla-Papierchen auf dem Knie glatt. Natalie sah nach oben. Nathan versuchte, ganz im Schatten des Eingangs zu verschwinden. Gemeinsam beobachteten sie, wie die Flügel des rotierenden Propellers durch die Wolkendecke schnitten. Sie hatten die ganze Zeit geraucht. Sie war so high wie nie zuvor in ihrem Leben.
    Und der Regen hört auch nicht auf.
    Ich könnte dir ein Tagebuch zeigen. Dein Name. In jeder dritten Zeile: dein Name. Das Tagebuch von meiner Freundin Leah. Das war sozusagen meine Kindheit: ihr zuhören, wie sie von dir redet! Sie würde es nie zugeben, aber der Mann, den sie geheiratet hat – der sieht aus wie du.
    So.
    Ich find’s einfach nur komisch, dass man für jemanden so lebenswichtig sein und das gar nicht wissen kann. Du wurdest so sehr ... geliebt. Warum machst du das? Glaubst du mir etwa nicht?
    Nee, es ist nur. Mit einem hat meine Mum echt recht gehabt. Als zehnjähriger brother wirst du überall geliebt. Mit deinem kleinen runden Köpfchen. So süß und aufgeweckt. Solange er zehn ist, wird so ’n kleiner brother überall geliebt. Danach kriegt er Probleme. Kann ja nicht immer zehn bleiben.
    Wie kann man einem Kind nur so etwas Furchtbares sagen!
    Ja, aber weißt du, so siehst du das – ich seh das gar nicht so. Für mich ist das die Wahrheit. Sie wollte mir was sagen, was stimmt. Aber du willst das nicht hören. Du willst ganz anderen Kram hören. Ach, Nathan, ich weiß noch, wie du so und so warst, und du warst ja so scheißsüß, dieser ganze Dreck, kapierst du? Schöne Erinnerungen. Aber als ich das letzte Mal bei euch im Hof war, blud, da war ich zehn. Danach hat deine Mum mich nicht mal mehr zum Tor reingelassen, ich schwör.
    Das ist nicht wahr!
    Und als ich vierzehn war, hat sie die Straßenseite gewechselt und getan, als würd sie mich nicht sehen. So sieht’s aus, wenn du mich fragst. Man kann nicht mehr leben in diesem Land, sobald man erwachsen ist. Geht nicht. Die wollen dich nicht mehr, die eigenen Leute wollen dich nicht mehr, keiner will dich. Für Frauen ist das anders, ist ’n Männer-Ding. Aber es ist die Wahrheit, das und nichts anderes.
    Aber weißt du denn nicht mehr ...
    Ach Nathan, weißt du nicht mehr dies, weißt du nicht mehr das ... Im Ernst, Keisha, ich weiß gar nichts mehr. Hab mir den ganzen Mist aus dem Hirn geätzt. Das war ’n anderes Leben. Nützt mir nix mehr. Ich leb nicht mehr in den Türmen. Ich leb jetzt auf der Straße, da geht’s um was anderes. Ums Überleben nämlich. Sonst nix. Nur Überleben. Mehr gibt es nicht. Dieses ganze Gerede, ›wir waren doch zusammen auf der Schule‹. Und? Was weißt du schon von meinem Leben? Wann warst du mal an meiner Stelle? Was weißt du davon, so zu leben, wie ich lebe, so zu werden, wie ich geworden bin? Du sitzt auf deiner Richterbank und verurteilst mich. Fragst mich Sachen, von wegen ›Wer sind die zwei‹? Steck deine Nase mal schön in deinen eigenen Kram, Süße. Du mit deiner beschissenen Lesbenfreundin. Hol sie her, dann sag ich’s ihr auch selber. ›Du warst so ein guter Fußballer, alle waren begeistert von dir.‹ Kann ich mir dafür was kaufen? Und du gehst wieder heim zu deiner Kohle und deinem Leben, aber wo bleibt meine Kohle und mein Leben? Bleib du ruhig auf deiner Richterbank. Red dir den Kopf heiß über mich. ›Wie fühlt man sich denn so als Problem?‹ Was weißt du schon darüber? Was weißt du über mich? Null. Für wen hältst du dich, dass

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