London Road - Geheime Leidenschaft
hätte es Bradens wohlmeinende Bemühungen, mich zu beruhigen, nie gegeben. Mick musste mir helfen, Cam ins Taxi zu verfrachten und die Treppe zu seiner Wohnung hochzuschaffen. Ich wünschte Mick und Olivia eine gute Nacht, zog Cam die Klamotten aus, stellte ein Glas Wasser und Aspirin an sein Bett und kroch neben ihn, um sicherzugehen, dass es ihm gutging.
Ich schlief nicht.
Ich hatte das Gefühl, auf dem höchsten Gebäude der Welt zu stehen, von dem aus man alles sehen konnte, was die Erde an Schönem und Herrlichem zu bieten hatte, und die ganze Zeit über wartete ich nur darauf, dass ein Windstoß kam und mich herunterwehte.
Als ich mich auf dem Kopfkissen herumdrehte, um Cam beim Schlafen zu beobachten, fragte mich ein kleines Stimmchen, ob ich ihn nicht vielleicht ein klein wenig hasste. Ich hasste ihn dafür, dass ich ihn so sehr liebte, und dafür, dass ich seinetwegen so unsicher war. Mein ganzes Erwachsenenleben lang hatte ich mich in puncto finanzielle Sicherheit auf Männer verlassen, und das hatte ich jetzt für Cam aufgegeben. Ich war nach wie vor der Ansicht, dass es richtig war, aber ein bisschen schien es mir, als hätte ich finanzielle Sicherheit gegen emotionale Sicherheit eintauschen wollen, und das Risiko hatte sich nicht gelohnt.
Nachdem ich mir sicher sein konnte, dass es dem besoffenen Blödmann gutging, stand ich auf und zog meine Stiefel wieder an.
Vielleicht wäre es das Beste, mich für eine Weile ausschließlich auf mich selbst zu verlassen.
Kapitel 25
W o steckst du? x
Ich las Cams SMS, seufzte leise und schrieb ihm rasch eine Antwort.
Bin mit Cole, Mick und Olivia beim Mittagessen. Verkatert? x
»Ich weiß, es geht mich nichts an, aber du scheinst mir ein bisschen von der Rolle zu sein«, bemerkte Olivia leise, als wir nebeneinander hergingen.
Onkel Mick und Cole gingen ein Stück weiter vorn und unterhielten sich angeregt. Wir waren zum Mittagessen im Buffalo Grill gewesen, einem tollen Tex-Mex-Restaurant hinter der Universität. Jetzt trainierten wir uns die Burger mit einem gemächlichen Sonntagsspaziergang durch die Meadows ab. Wir waren nicht die Einzigen, die es in den großen Park bei der Uni zog. Grüppchen von Freunden und Familien tummelten sich hier, spielten Fußball oder Tennis, tollten mit Hunden herum und genossen das milde Frühlingswetter. Am Morgen war ich zu dem Schluss gekommen, dass ich keine Lust darauf hatte, mich mit Cam oder unseren Problemen zu befassen, also hatte ich mir Cole geschnappt, kaum dass dieser zur Tür hereingekommen war, und Onkel Mick angerufen, um ihn zu fragen, ob wir alle zusammen zu Mittag essen wollten. Sobald Cole und ich aus dem Haus waren, atmete ich freier. Ich amüsierte mich sogar – bis Cam sich mit seiner SMS in meine Gedanken drängte.
Mein Handy summte, noch ehe ich Olivia antworten konnte.
Cams Antwort:
Ein bisschen. Geht’s dir gut? x
»Eine Sekunde, Olivia«, murmelte ich entschuldigend, ehe ich ihm schrieb, dass er mir gutging und wir uns sehen würden, sobald ich zurückkam.
»War das Cam?« Mit einem Kopfnicken deutete sie auf mein Handy.
»Hm.« Sadistisch, wie ich war, hatte ich gehofft, dass er unter den Begleiterscheinungen eines monumentalen Katers litt. Nicht mal die Genugtuung gönnte er mir. »Ich habe ihn noch nie so betrunken erlebt.«
»Geht’s ihm gut?«
Ich musterte sie einen Moment lang. Wir kannten uns nicht besonders gut, deshalb wusste ich nicht, ob ich mich ihr anvertrauen sollte. Ich hatte mich an Joss und Braden gewandt, weil ich darauf vertrauen konnte, dass sie ehrlich zu mir waren, aber nachdem Cam am vorigen Abend bis auf den Grund einer Schnapsflasche getaucht war, waren ihre gutgemeinten Ratschläge wohl mehr oder weniger hinfällig. Es hätte mir gutgetan, mit jemandem zu reden, aber Olivia? Dafür kannte ich sie einfach noch nicht gut genug.
Als hätte sie meine Gedanken erraten, lächelte sie mir verständnisvoll zu. »Verstehe schon. Du bist dir nicht sicher, ob du es mir erzählen willst. Das ist völlig in Ordnung – aber du musst wissen, dass ich wirklich gute Ratschläge gebe und Geheimnisse für mich behalten kann. Wenn ich nicht Bibliothekarin geworden wäre, dann garantiert Kummerkastentante bei Tag und Spionin bei Nacht.«
Damit brachte sie mich zum Lachen. »Gut zu wissen. Ganz ehrlich, ich weiß nicht mal, wo ich anfangen soll. Ich habe keine Ahnung, ob das alles bloß in meinem Kopf existiert oder ob es wirklich ein Problem gibt.«
Olivia räusperte sich.
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