London Road - Geheime Leidenschaft
loben, dass ich jemanden als Pissnelke bezeichnet habe.«
»O nein, ich auch«, warf Ellie ein und drängte sich näher an die Theke heran, um Cam abschätzend zu mustern. »Erst recht, wenn die betreffende Person es verdient hat.«
Es war wirklich verrückt. Joss und Ellie hatten die Rollen getauscht. Normalerweise war es Ellies Aufgabe, das Beste in allen zu sehen, aber Cam gegenüber schien sie einen gewissen Argwohn zu empfinden. Wahrscheinlich lag es daran, dass sie bislang noch nie erlebt hatte, wie ich mich über jemanden aufregte, und deswegen ging sie davon aus, dass es einen guten Grund dafür geben musste. Wie recht sie doch hatte!
Joss’ Augen funkelten übermütig, als sie erst meine, dann Cams Miene studierte. »Els, das ist Cameron MacCabe. Sag einfach Cam zu ihm. Cam, das ist meine Freundin Ellie.«
»Die Schwester deines Freundes?«, fragte Cam beiläufig, als er auf sie zutrat.
»Genau.«
Als er Ellie die Hand hinstreckte, hatte er ein freundliches, geradezu umwerfendes Lächeln im Gesicht, bei dessen Anblick ich einen Stich verspürte. Ein dumpfer Schmerz breitete sich in meiner Brust aus. Mich hatte er nicht so angelächelt. »Freut mich, dich kennenzulernen, Ellie.«
Wie es aussah, war auch Ellie gegen seinen Charme nicht immun. Sie strahlte zurück, ihr anfängliches Misstrauen war verflogen. Sie schüttelte ihm die Hand. »Joss hat erzählt, du bist Graphikdesigner?«
Ein Gast kam an die Bar, und ich bediente ihn, während Cam sich weiter mit meinen Freundinnen unterhielt. Ich schaffte es, mit einem Ohr dem Gast zuzuhören und mit dem anderen Cam.
»Ja, aber es ist schwierig, hier einen Job zu finden. Wenn ich nicht bald was habe, muss ich vielleicht aus Edinburgh wegziehen.«
»O nein, das wäre so schade!«
»Hm.«
»Hast du wenigstens schon eine Wohnung gefunden?«, erkundigte sich Joss, und auf einmal durchfuhr mich der Gedanke, dass die beiden am Samstag wirklich gut miteinander ausgekommen sein mussten, wenn sie sich trotz der vielen Gäste länger unterhalten hatten.
»Ich habe mir ein paar angesehen. Keine von denen war so schön wie meine jetzige, aber man muss eben nehmen, was man sich leisten kann …?«
»Was ist mit Becca?« Die Frage war mir rausgerutscht, bevor ich mich bremsen konnte.
Cam legte die Stirn in Falten. Er sah mich an. »Was soll mit Becca sein?«
Ich war einmal auf einer Party bei Becca gewesen. Sie wohnte in einer gigantischen Wohnung in Bruntsfield. Sie hatte drei Mitbewohner, aber für Cam wäre bestimmt noch Platz gewesen. »Sie hat doch eine riesige Wohnung in der Lemington Terrace. Da könntest du doch sicher auch unterkommen.«
Sein Kopf zuckte kurz, was wohl ein Nein signalisieren sollte. »Wir sind erst seit einem Monat zusammen.«
»Wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt?«, wollte Ellie wissen. Das war typisch! Ellie war hoffnungslos romantisch und konnte von Liebesgeschichten nie genug bekommen.
Bei der Vorstellung einer Liebesgeschichte zwischen Cam und Becca wurde mir unbehaglich zumute.
Was war los mit mir? Ich war mit Malcolm zusammen, und Cam war ein Idiot.
»Auf der Party eines Freundes.«
»Bestimmt habt ihr viel gemeinsam. Becca ist ja auch Künstlerin.«
Einer seiner Mundwinkel verzog sich ein paar Millimeter nach oben. »Wir haben eine unterschiedliche Auffassung davon, was Kunst ist, aber sonst verstehen wir uns ganz gut.«
»Mit anderen Worten, du bist deiner Freundin gegenüber genauso herablassend wie zu mir?«, versetzte ich schnippisch und scherte mich nicht um Joss’ amüsiertes Kichern.
Als Antwort bekam ich von Cam ein geradezu schmeichelndes Lächeln. »Du warst doch auch da, Jo. Sag bloß nicht, dass du ihre Bilder nicht auch bescheuert fandest.«
Joss lachte lauthals los, während ich den Kopf schüttelte und mir auf die Lippe biss, um nicht zu grinsen. Ich wollte ihn auf keinen Fall noch ermutigen. »Du bist ihr Freund. Du solltest ihr den Rücken stärken, nicht über sie lästern.«
»Du hast Becca kennengelernt. Das Letzte, was sie braucht, ist noch jemand, der ihr Puderzucker in den Arsch bläst. Das Mädchen ist der selbstverliebteste Mensch, dem ich je begegnet bin.«
»Hä?« Ellie machte ein verdattertes Gesicht. »Du klingst, als würdest du sie gar nicht besonders mögen.«
»Klar mag ich sie«, brummte Cam. Er zuckte die Achseln und warf Ellie dann ein schurkisches Lächeln zu. »Ihre Arroganz ist sexy … und ich finde sie amüsant.«
Ich wandte mich ab und tat so, als würde ich die
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