London Road - Geheime Leidenschaft
Handvoll Gäste auf der kleinen Tanzfläche beobachten. Ob Malcolm das Gleiche für Becca empfand? Und falls ja, wie wirkte ich dann auf ihn? Durchschnittlich und unsicher?
Gott, hoffentlich nicht!
»Alles klar bei dir, Jo?«, erkundigte sich Joss. Ich drehte mich wieder um. Alle starrten mich an, einschließlich Cam.
Ich nickte. »Sicher.«
Sie runzelte die Stirn. »Ist mit Cole alles in Ordnung?«
Ich zuckte innerlich zusammen, weil ich merkte, wie Cam sich bei der Erwähnung von Cole versteifte. Ich wollte nicht, dass er die Wahrheit über Cole erfuhr. Wenn er so wild entschlossen war, in mir nur das zu sehen, was viele andere sahen, dann wollte ich ihm auf keinen Fall seine Illusion rauben. »Ihm geht’s gut.« Mehr sagte ich nicht, in der Hoffnung, sie würde das Thema fallenlassen.
Natürlich tat sie das nicht. »Er kam mir am Sonntag so still vor. Ist wirklich alles in Ordnung mit ihm?«
Ja, und jetzt halt die Klappe! »Natürlich.«
Ellie warf mir einen mitfühlenden Blick zu. »Sobald Hannah vierzehn wurde, hat sie sofort die klassischen Pubertäts-Symptome gezeigt. Ständig miese Laune, und die Zähne kriegt sie auch nicht auseinander. Wenn die Kids so schüchtern sind wie Hannah und Cole, ist es noch schlimmer, weil sie sich einfach zurückziehen, wenn es ihnen nicht gutgeht.«
Mist.
Cam richtete sich zu seiner vollen Größe auf, so dass er mich um einige Zentimeter überragte. Er sah fragend in die Runde. »Vierzehn?«
Vielen herzlichen Dank, Joss und Ellie!
»Cole«, erklärte Joss. Für meinen Geschmack war sie viel zu erpicht darauf, ihm Einzelheiten aus meinem Leben zu erzählen. Ich spielte ernsthaft mit dem Gedanken, Ellie und Braden dieses Jahr zu Weihnachten eine Rute zu schenken, als Dankeschön dafür, dass sie aus Joss einen normalen Menschen gemacht hatten, der seinen Freunden mit unterirdischen Kuppelversuchen den letzten Nerv raubte. »Jos jüngerer Bruder. Sie kümmert sich um ihn.«
Cams Blick war messerscharf, als er mich in all meinen neuen Facetten zur Kenntnis nahm.
Ja, Cam, ich kann lesen und schreiben, und ich habe einen ziemlich guten Wortschatz. Ich betrüge meinen reichen Freund nicht. Ich trage Verantwortung für einen Jugendlichen. Sag adieu zu all deinen kleinen Vorurteilen, Arschloch.
Er sah mich fragend an, aber mehr als ein Schulterzucken hatte ich nicht für ihn übrig.
Joss hingegen geriet gerade erst richtig in Fahrt. »Deswegen darf Jo bei der Arbeit auch ihr Handy behalten – für den Fall, dass Cole sie braucht. Wenn du also mitkriegst, wie sie ständig draufschaut, sei nicht so streng mit ihr. Sie hat einen ziemlich ausgeprägten Beschützerinstinkt. Eine Schwester wie sie kann man sich nur wünschen.«
Könntest du bitte aufhören, mich ihm so anzupreisen? Ich warf Ellie einen vorwurfsvollen Blick zu, die vor lauter Verwirrung kugelrunde Augen bekam. »Das ist dein Einfluss«, klärte ich sie auf.
Ellie nickte. Offenbar hatte sie verstanden. »Nützt es dir etwas, wenn ich sie besser erziehen würde?«
»Es würde mir helfen, wenn du bei ihr RESET drücken würdest.«
»He«, protestierte Joss.
Ellie schüttelte energisch den Kopf. »Nein, ich mag meine neue Jocelyn.«
»Also, ich komme langsam nicht mehr mit.« Cams Blick sprang zwischen uns dreien hin und her.
Sehr gut, ohne dich ist es sowieso viel schöner. »Ist ja auch egal.« Ich schüttelte den Kopf und wandte mich dann an Joss. »Was machst du überhaupt hier?«
Joss grinste frech. »Wollte nur mal die Lage abchecken.«
Offenbar stand mir meine Meinung dazu deutlich ins Gesicht geschrieben, denn Ellie wäre fast an ihrem Lachen erstickt. »Ich glaube, es wird jetzt allmählich Zeit zum Aus checken«, verkündete sie und packte ihre widerstrebende Freundin am Arm.
»Meinetwegen«, brummelte Joss, während sie Cam und mich ein letztes Mal neugierig musterte. »Jo, erzähl Cam doch mal von Coles Comics.«
»Arrghh!« machte ich im Stillen. »Gute Nacht, Joss. Nacht, Els.«
Ellie winkte und zerrte Joss aus der Bar.
Obwohl das Stimmengewirr der Gäste und die Musik um uns herumwogten, herrschte hinter der Bar totale Stille. Cam und ich waren wie in einer Blase. Kein Laut vermochte die Spannung zu durchdringen, die uns umgab.
Irgendwann machte Cam einen Schritt auf mich zu. Zum ersten Mal, seit wir uns kennengelernt hatten (und es war seltsam, als mir klar wurde, dass dies heute erst unsere zweite Begegnung war; ich hatte den Eindruck, ihn schon viel länger zu kennen), wirkte Cam
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