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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Minister mit dieser Mitteilung eine bestimmte Absicht verfolgte. Meredith spürte den Blick aus Cromwells kleinen Augen wie Stechzirkel auf sich gerichtet. »Sagt mir, was Ihr von dieser Neuigkeit haltet«, fragte Cromwell.
    »Ich bedaure es, wenn irgendein Mensch, und sei es der Papst, nicht mit meinem Herrn, dem König, übereinstimmt.«
    »Gut. Ihr wart in Cambridge?« Thomas nickte. »Ein Freund von Cranmer?« Dem Minister entging nichts. Thomas bejahte, und Cromwell schien zufrieden. »Sagt mir, diese Nachricht, der König werde exkommuniziert – ist sie gut oder schlecht?«
    »Vielleicht ist es eine gute Nachricht«, antwortete Meredith.
    Cromwell knurrte, und beide Männer wußten, daß dies eine Herausforderung war. Der Minister hatte ihm sein Vertrauen bekundet und auf das Geheimnis angespielt, das sie wohl seit langem teilten, obwohl sie es nie laut ausgesprochen hatten. Das Geheimnis, das Meredith seiner Familie nicht eröffnen konnte; das Geheimnis, das Cromwell dem König nicht eröffnen konnte.
    1534
    Während dieses ersten Jahres in Chelsea war Susans Seelenfrieden nur einmal bedroht, und mit dieser Sache war sie recht gut fertig geworden. Im April kam ein Bote vom Charterhouse mit einem Brief von Peter aus Rom, in dem er erklärte, er könne erst in einigen Monaten nach London zurückkehren, da er in Italien krank geworden sei. Traurige Nachrichten, doch sie wurden aus ihren Gedanken verscheucht, als ihr Gatte während des Nachmittags betrübt auf ihr Haus zugeritten kam, begleitet von Thomas, der ungewöhnlich ernst aussah. Sie lief hinaus, um sie zu begrüßen.
    »Was ist? Gibt es Schwierigkeiten?« fragte sie Rowland.
    »Nein«, antwortete Thomas. »Aber morgen vielleicht.«
    Da Susan entschlossen war, ihre Kinder in einer Atmosphäre des Friedens großzuziehen, hielt sie sich absichtlich von allen weltlichen Angelegenheiten fern. Die politischen Ereignisse der letzten Monate bedauerte sie zwar, doch sie waren ihr nicht besorgniserregend erschienen. Der Papst war schließlich gezwungen worden, zwischen der mächtigen Habsburgermonarchie und dem englischen König zu wählen, und hatte widerwillig Heinrichs Exkommunikation verkündet. Im März hatte er bedauernd erklärt, die spanische Katharina und nicht Anna Boleyn sei die legitime Frau des Königs. Heinrich war darauf gefaßt; sein Minister Cromwell legte dem Parlament ein bereits aufgesetztes Erbfolgegesetz vor, das rasch verabschiedet wurde. Zugleich sollte ein Eid abgelegt werden, der Annas Kinder als rechtmäßige Erben erklärte, mit einer Präambel, die dem Papst die Autorität aberkannte, an diesen Festsetzungen etwas zu ändern.
    »Wir können keinen Zweifel an der Erbfolge dulden«, erklärte Heinrich. »Meine Untertanen müssen alle den Eid leisten.« In London sollten die Ratsherren jedem Bürger den Eid vorlegen und dann in Greenwich Bericht erstatten; anderswo sollten sich Cromwells Beamte darum kümmern.
    Susan hielt die Angelegenheit für unangenehm, aber notwendig. Besser eine klare Erbfolge als ein Streit um die Krone, meinte sie, und so dachten die meisten. Die Londoner mochten vielleicht murren, aber soweit sie wußte, weigerte sich niemand, dem Gesetz des Königs zu gehorchen. Daher war es ein Schock für sie, als Rowland, kaum daß die beiden Männer eingetreten waren, ausrief: »Es ist der Eid. Drei Männer haben ihn verweigert. Man hat sie in den Tower gebracht. Ich soll ihn morgen ablegen.«
    »Und er glaubt«, fügte Thomas hinzu, »daß er ihn ebenfalls verweigern sollte.«
    Susan fühlte sich plötzlich schwach. »Wer sind die drei Männer?« fragte sie. Ein gewisser Doktor Wilson, sagten sie ihr; sie hatte nie von ihm gehört.
    Und auch der alte Bischof Fisher. Da er der einzige Bischof war, der sich geweigert hatte, Heinrichs neue Ehe zu sanktionieren, konnte der fromme alte Mann seine Meinung nun kaum ändern. Doch der dritte Name ließ sie den Mut verlieren: »Sir Thomas Morus.« Sie wußte, daß der frühere Kanzler, ein Gelehrter, Schriftsteller, Rechtsanwalt und äußerst strenger Katholik, für Rowland ein Mann war, den man bewundern und dem nach nachfolgen mußte. »Was wird mit ihnen geschehen?« fragte sie.
    »Laut Gesetz ist es nicht Hochverrat, den Eid zu verweigern«, erwiderte Thomas. »Aber zweifellos werden sie eine Weile im Tower sitzen. Jeder, der ihrem Beispiel folgt… vorbei ist es mit seiner Position. Vorbei mit all diesem hier.« Er wies auf ihr geliebtes Haus. »Auch für mich als Schwager ist

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