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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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immer einen attraktiven Anblick. Er trug eine rote Jacke mit Goldlitzen, eine weiße Hose, glänzende schwarze Schuhe mit Silberschnallen und auf dem Kopf eine kleine spitze Kappe aus schwarzem Samt: Die Sommerlivree der königlichen Fährmänner stand seiner imposanten Gestalt sehr gut. Er war bestürzt, als der Bootsmeister, kaum daß er am Hafen von Greenwich angelegt hatte, zu ihm sagte: »Ihr habt heute frei, Dogget. Ich habe hier eine Nachricht, daß Ihr zum Charterhouse gehen sollt. Es scheint, daß es Ärger mit Eurem alten Herrn gibt.«
    Als Dan im Kloster ankam, wurde er vom Unterprior erwartet, und auch seine Schwester war da. »Der Prior ist höchst verärgert«, teilte ihm der Mann mit. Für die Mönche des Charterhouse war es ein Ereignis gewesen; die Jüngeren hatten so etwas noch nie gesehen. Ein volltrunkener Will Dogget war immer noch eine einprägsame Gestalt. Er war in eine Schenke in der Nähe gegangen und hatte dort ein paar Bekanntschaften geschlossen, die ihm etwas zu trinken spendierten. Dort und in weiteren Wirtshäusern hatte er ein paar Stunden lang gezecht. Nach mehr Alkohol, als er viele Monate lang gehabt hatte, machte er sich auf den Rückweg ins Charterhouse. Es war dunkel, und das große Außentor war geschlossen, als Will angetaumelt kam. Als auf sein Gehämmer niemand öffnete, beschloß er auszuprobieren, ob er das Klostertor eintreten konnte. Als ein bestürzter junger Mönch schließlich herbeieilte, hatte der alte Mann ein paar Strophen von Fährmannsliedern gegrölt, die man im Charterhouse nie zuvor gehört hatte.
    »So etwas können wir nicht zulassen«, erklärte der Unterprior. Man hätte den alten Mann schon am Morgen hinausgeworfen, wenn seine Tochter nicht bei allen Heiligen, deren Bilder sie verkaufte, geschworen hätte, daß sie nichts für ihn tun könne.
    Als Dan auf seinen Vater zukam, warf Will ihm einen halb vorwurfsvollen, halb schuldbewußten Blick zu. »Tja«, seufzte er, »deine Schwester will mich nicht aufnehmen. Die Mönche sagen, ich muß wieder bei dir wohnen.«
    »Das geht nicht«, erwiderte Dan fest. »Ich habe keinen Platz.« Schließlich kam Hilfe vom Prior selbst. »Dieses Kloster leistet ernsthafte Werke. Euer Vater kann nur unter der Bedingung bleiben, daß er innerhalb unserer Pforten bleibt.«
    Daß Rowland, obwohl seine Laufbahn und seine Heirat ihm Eintritt in die vornehmen Kreise der Gesellschaft verschafft hatten, sich nicht im geringsten seiner Familie von Brauern schämte, war eine der Eigenschaften, die Susan an ihm mochte: Alle paar Monate statteten sie der alten Brauerei in Southwark einen Besuch ab. Bei einer dieser Gelegenheiten wurden sie von Thomas begleitet, und nachdem sie ihm das weitläufige Gelände gezeigt hatten, das die Brauerei nun umfaßte, begab sich die Familie in das alte Gasthaus, in das »George«. Susan fühlte sich recht heiter. Die Gefahr, die sie im April gespürt hatte, war in den Hintergrund getreten. Ob gerne geleistet oder nicht, kaum jemand hatte den Suprematseid verweigert; und obwohl Fisher, Morus und Doktor Wilson immer noch im Tower gefangen waren, hatte man doch nichts weiter gegen sie unternommen. Auch die Stimmung bei Hofe war unbeschwerter. »Der König und Königin Anna sind glücklich zusammen«, berichtete Thomas. »Jedermann ist sicher, daß es früher oder später einen männlichen Thronfolger geben wird.« Rowlands Gewissenskrise hatte sich gelegt, und er hatte Freude an seiner Arbeit.
    Sie waren eine fröhliche Gesellschaft, die drei Besucher, Rowlands alter Vater und seine beiden Brüder. Susan fühlte sich stets wohl bei den Bulls. Anders als Rowland, der mit seinem dunklen und schon früh schütter werdenden Haar eher wie ein keltischer Waliser aussah, waren seine Geschwister dem ursprünglichen Familientypus nachgeraten, blond, blauäugig, mit breiten sächsischen Gesichtern. Ihre Ansichten waren gediegen konservativ; zwar fehlte ihnen Rowlands intellektuelle Begabung, doch es war offenkundig, daß sie genauso stolz auf ihn waren wie er auf sie.
    Thomas war bester Laune. Lebhaft beschrieb er das fröhliche Leben bei Hofe, die Turniere, die Kurzweil, die Musik. Rowlands Vater erkundigte sich neugierig nach dem Maler Holbein, der viele der größten Persönlichkeiten Englands porträtierte. »Cromwell ist gern in Gesellschaft von Gelehrten, und Holbein speist oft mit ihm«, erzählte Thomas. »Aber wißt ihr, wer sein engster Freund ist? Erzbischof Cranmer!« Er lächelte Susan an. »Wir

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