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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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hatte, die es wagten, sich ihm zu widersetzen, hatte König Heinrich mit präziser Treffsicherheit zugeschlagen. Nur drei Männer – der Prior des Londoner Charterhouse und die Prioren der anderen beiden Kartäuserklöster – wurden verhaftet, weil sie sich weigerten, auf die Suprematsakte zu schwören. Den übrigen Mönchen im Charterhouse hatte man den Eid noch nicht einmal vorgelegt. In einer nichtöffentlichen Verhandlung mit Cromwell als Vorsitzendem führte man den Prozeß gegen die drei Prioren. Cranmer verteidigte sie, die Geschworenen waren unwillig, sie zu verurteilen, aber Cromwell hatte ihre Einwände grob beiseite gefegt, und bis Mittag wußte es ganz London: »Man hat sie in den Tower gebracht; in fünf Tagen werden sie hingerichtet.«
    Würde Heinrich auch die übrigen Mönche des Charterhouse verfolgen? Oder würden sie klein beigeben, wenn sie das Grauen sahen? Dan dachte an Peter Meredith und argwöhnte, daß sie das nicht tun würden. Was sollte dann aus dem alten Will werden? Mit einem Anflug böser Vorahnungen ruderte Dan Dogget den König nach Hampton Court.
    Er hätte nicht in den Garten gehen sollen. Er hätte vorbeigehen sollen, als er das Lachen hörte. Thomas hatte nicht gewußt, daß König Heinrich gekommen war.
    Er hatte eifrig seine Pflichten erfüllt, und Cromwell hatte ihn gelobt; von König Heinrich hatte er wenig gesehen. Er war froh, daß nur wenige am Hof von der Ankunft seines Bruders Peter in dem ärgerniserregenden Charterhouse wußten. Die Nachricht vom Ergebnis der Verhandlung an diesem Tag hatte Hampton Court noch nicht erreicht. Daher erschrak er, als er nun den König sah.
    Nur ein paar Höflinge waren bei König Heinrich. Da er sich nach der langen Fahrt auf dem Fluß die Beine vertreten wollte, hatte er sie herbeizitiert, damit sie ihn und Cromwell begleiteten, während sie durch den Obstgarten gingen. Nur einige Augenblicke bevor Thomas kam, hatte er den Garten, der still hinter seinen hohen Hecken lag, betreten.
    Der König war leutselig gestimmt. In letzter Zeit hatte er Ordnung in sein Leben gebracht. Zuerst einmal, was die Königin betraf. Anna Boleyn war zwar manchmal launisch und eifersüchtig auf seine anderen Liebschaften, doch da er kürzlich in der königlichen Pflicht, einen Erben zu zeugen, einige Zeit mit ihr verbracht hatte, war dieser häusliche Arger kuriert. Tatsächlich vermutete er, daß sie bereits empfangen hatte. Und nun die Sache mit den Mönchen. Er hatte den Höflingen gerade von den bevorstehenden Hinrichtungen erzählt und sah hinter ihren artigen Gesichtern einen Anflug von Furcht. Gut. Höflinge sollten Angst vor dem König haben. Auf der Fahrt von London hierher hatte er auch überlegt, ob er den Eid noch einmal weiteren Kreisen vorlegen sollte, um auch alle seine anderen Gegner ausfindig zu machen, doch Cromwell hatte zu Vorsicht geraten. »Je weniger wir umbringen müssen, desto eher entsteht der Anschein, daß es nur wenige Gegner gibt«, hatte er betont. Vermutlich stimmte das. Doch um Cromwell zu ärgern und um die Höflinge zittern zu sehen, kam er noch einmal auf dieses Thema zurück. »Seid Ihr sicher, Master Cromwell, daß wir den Eid nicht noch einmal schwören lassen sollen? Möglicherweise lauern Verräter sogar hier, in unserer Mitte.« Er lachte schallend, als er sah, wie die Höflinge erbleichten. Und dann sah er Thomas Meredith.
    Heinrich mochte Meredith. Er erinnerte sich an seinen Vater, und Cromwell äußerte sich wohlwollend über seine Arbeit. Außerdem erinnerte sich Heinrich daran, daß er den jungen Burschen beim Tennis geschlagen hatte. Als er ihn nun sah, wie er schüchtern am Garteneingang zögerte, winkte er ihm. »Kommt näher, Thomas Meredith«, rief er lächelnd. »Wir sprechen gerade über Verräter.«
    Der junge Mann wurde totenbleich. Weshalb nun dies? Aus dem Labyrinth von Heinrichs argwöhnischem Gedächtnis stieg eine Erinnerung an eine andere Begegnung in ebendiesem Garten empor; der vorwurfsvolle Blick einer jungen Frau, ein Anflug von Illoyalität und Unverschämtheit. War das Mädchen nicht Meredith' Schwester gewesen? »Erinnert mich, Thomas, an Eure übrige Familie«, sagte er plötzlich.
    Thomas starrte ihn an. Dachte der König an Peter? Er mußte herausgefunden haben, daß er im Charterhouse war. Er hatte keine Ahnung, daß König Heinrich genau in diesem Garten einmal Susan begegnet war.
    »Ich habe einen Bruder, Sire. Er war Priester, bis er krank geworden ist und sich zurückgezogen

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