London
gesamte Dachbreite, sondern waren zweigeteilt und ließen in der Mitte einen Raum frei, der durch spitzbogenförmig zulaufende Balken gefüllt war. So konnte ein großer Raum leicht überwölbt und ein schweres Dach getragen werden.
Acht dieser mächtigen Stichbalkenkonstruktionen aus Eiche gab es in der Halle, somit wurde das Dach in sieben Abschnitte geteilt. Den unteren Abschluß dieser Deckenkonstruktion bildete eine große hölzerne Konsole, die am oberen Ende der Stützbalken jeweils ein Pendant von gewaltigem Ausmaß hatte. Und sämtliche Balken waren mit kunstvollen Schnitzereien gestaltet. »Daran habe ich mitgearbeitet«, erklärte Carpenter stolz.
»Und was gibt es für Neuigkeiten von deinem Vater?« fragte der Handwerker seinen Schwager, als sie zusammen die Halle verließen. »Hat er sich an seinen Hausarrest gehalten?«
»Er hat sich wohl gebessert, wie ich höre«, konnte Dan ihm überraschenderweise sagen. Pater Meredith' Ankunft im Charterhouse schien diese Wunder verursacht zu haben. Vielleicht war es sein geistlicher Einfluß, vielleicht leistete er dem alten Mann auch nur Gesellschaft – innerhalb einer Woche hatte sich Will Dogget eng an den Priester angeschlossen. »Solange Pater Peter in der Nähe ist, wirkt der alte Mann vollkommen glücklich.«
»Hoffen wir, daß der Priester dort bleibt«, meinte Carpenter.
Außerhalb von Newgate, westlich des Holborn, stand eine einfache Steinkirche, die St. Etheldreda geweiht war, einer heiligen angelsächsischen Prinzessin in der Frühzeit des Christentums auf der Insel vor nahezu tausend Jahren. Während des Mittelalters hatten die Bischöfe von Ely ihren Londoner Sitz daneben gebaut, alles mit einer hohen Mauer umgeben und die Kirche als ihre Kapelle genutzt; doch sie war immer noch offen für jeden Gläubigen, der geistliche Erbauung innerhalb der alten grauen Mauern suchte.
An einem schönen Tag im Frühmärz erblickte Rowland Bull, der vom Charterhouse kam und auf seinem Weg nach Westminster die Chancery Lane entlanggehen wollte, das Dach von St. Etheldreda hinter der bischöflichen Mauer und beschloß, einer plötzlichen Eingebung folgend, hineinzugehen.
Frühling lag in der Luft, als er durch das Tor schritt. Die Bäume hatten die ersten grünen Knospen; neben dem Weg zur Kapelle blühten kleine Büschel weißer und violetter Krokusse und auf einer grasbewachsenen Böschung ein paar gelbe Osterglocken. St. Etheldreda bestand aus einer hübschen Kapelle mit einem prächtigen Fenster, das einen großen Teil der Westseite einnahm, und der Krypta, die ein paar Stufen unter dem Erdboden lag und oft für Messen genutzt wurde, obwohl sie kleiner war als die Kapelle oben.
Rowland fand die Krypta leer und trat ein. Links stand ein kleiner Altar, neben dem er das kleine rote Licht des Tabernakels mit der Hostie sah. Am anderen Ende, rechts von ihm, war in den oberen Teil der Mauer ein Fenster aus grünem Glas eingebaut, das der Krypta ihr sanftes Licht gab. Genau darunter war ein altes steinernes Taufbecken mit sächsischen Meißelarbeiten. In der Mitte des Raums standen ein paar Bänke mit Kniepolstern, und Rowland kniete nieder, um zu beten.
So viele Dinge lasteten ihm auf der Seele, und auch sein Treffen mit Peter hatte ihm keinen Trost gebracht. Die Mönche des Charterhouse beteten um Führung. Der Prior wollte Cromwell bitten, sie einen Eid schwören zu lassen, gegen den sie weniger einzuwenden hatten. »Aber er wird ablehnen«, hatte Peter prophezeit. Entweder würden die Kartäuser sich Heinrichs Willen beugen oder sich des Verrats schuldig machen. Es war schwer zu glauben – die frommen Mönche des Charterhouse sollten wie Verbrecher exekutiert werden? Konnte König Heinrich so etwas tun? »Sicher«, hatte Peter gesagt. »Wer sollte ihn davon abhalten?« Einen Verrätertod sterben? Das war schrecklich; nur wenige Glückliche bestiegen das Schafott, während die meisten auf die grausame mittelalterliche Art ums Leben gebracht wurden – zuerst aufgehängt, dann abgenommen, solange sie noch bei Bewußtsein waren; anschließend wurden ihnen die Eingeweide herausgeschnitten und die Gliedmaßen abgehackt.
Er versuchte, diese Vorstellung zu verscheuchen, und ließ den Blick durch die Krypta schweifen. Der christliche Glaube kann zum Märtyrertod führen, daran schien ihn das kleine rote Licht zu erinnern. War nicht der Glaube, an dem er so innig hing, auf Opfermut gegründet? Und nach dem Tod – ewiger Friede, sagte die rote Flamme,
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