London
hat.«
»Tatsächlich?« Heinrich hatte das nicht gewußt. »Und wo ist er nun?«
»Im Charterhouse«, antwortete Thomas kläglich.
»Im Charterhouse? Ich hoffe, er teilt nicht deren Ansichten. Der Prior wird sterben.« Heinrich blickte zu Cromwell.
»Meredith ist loyal, Sire.« Cromwells Antwort kam unverzüglich, und Heinrich nickte. »Was hat Er noch für Angehörige, Master Meredith?«
»Nur eine Schwester, Sire, verheiratet mit Rowland Bull, Sire.«
»Bull?« Heinrich schien in seinem Gedächtnis zu kramen. »Im Kanzleramt?« Thomas nickte, während König Heinrich auf die Hecke starrte. Ja, das war die Frau mit dem vorwurfsvollen Blick. »Sind Mistress Bull und ihr Gatte loyal?«
»Sie sind loyal, Eure Majestät«, erwiderte Thomas.
»Wir bezweifeln es nicht, Master Meredith.« Heinrich wandte sich an seinen Minister. »Wir meinen also, Cromwell, daß Mistress Bull und ihr Gatte den Eid ablegen sollen. Veranlaßt es für morgen früh, vor Sonnenaufgang. Das ist Unser Wille.« Cromwell neigte den Kopf. Plötzlich strahlte König Heinrich alle an. »Wir haben noch eine bessere Idee. Unser getreuer Diener, Master Meredith, soll selbst hingehen und sie den Eid sprechen lassen. Er soll darauf bestehen, daß es getan wird. Wie ist das?« Und er lachte laut auf.
»Er wird den Eid nicht leisten«, wiederholte Susan dumpf. Sie und Thomas debattierten flüsternd. Rowland, der noch nicht wußte, daß Thomas schon da war, war noch oben; die Kinder schliefen. »Du hast versprochen, daß es nicht dazu kommen würde«, warf sie ihm vor.
Thomas erklärte, wie er im Garten dem König begegnet war und wie Heinrich unerwartet begonnen hatte, ihn nach seiner Familie zu fragen. Susan wurde sehr plötzlich nachdenklich. »Dann war es meine Schuld«, sagte sie schließlich.
Was meinte sie damit? Und vor allem, was sollten sie tun? »Ich werde den Eid leisten«, sagte Susan. Er wußte, daß sie ebensowenig davon hielt wie Rowland. Aber bestand nicht vielleicht die Chance, daß Rowland, wenn er sie gehorchen sah, angesichts der schrecklichen Folgen für seine Familie vielleicht doch den Eid ablegen würde? Doch Susan verneinte mit leiser, tränenerstickter Stimme. »Nein. Er wird es nicht tun.«
Das ließ Thomas nur eine Alternative. Er hatte sie schon am Abend zuvor und während des ganzen Weges flußabwärts von Hampton Court erwogen. Er hatte gebetet, daß es nicht nötig sein möge; das Risiko war furchterregend, und vielleicht klappte es nicht einmal. Aber als er nun seine Schwester anblickte und ihre Qual sah, meinte er, daß er es versuchen mußte.
Die Sonne hatte bereits den Nebel bis zum Flußufer aufgelöst, als Rowland den Eid ablegte. Er tat es ganz ruhig und lächelte dann seiner Frau zu, die ihn erleichtert anblickte.
Thomas Meredith lächelte ebenfalls. »Ich bin froh«, sagte er. Es war gar nicht so schwierig gewesen. Er hatte sich die größte Mühe gegeben und Rowland die Worte so nachsprechen lassen, daß sein Juristenverstand genau ihre Bedeutung erfassen konnte; und dann, beruhigt, daß sein Glaube nicht gefährdet war, hatte Rowland den Eid geschworen.
Thomas hatte den Eid verfälscht. Der Eid, den er seinen Schwäger hatte schwören lassen, unterschied sich kaum von dem, den er im Jahr zuvor im Hinblick auf die Erbfolge geleistet hatte. Nach einer kurzen Erwähnung von Heinrichs Oberhoheit hatte er eine entscheidende, rettende Klausel eingefügt: »Insoweit das Wort Gottes es erlaubt.« Schon oft hatte die Kirche auf diese altbewährte Klausel zurückgegriffen, wie sie beide wußten. Mit dieser Einschränkung konnten gute Katholiken jede unangemessene Interpretation ablehnen, die der König dem Eid künftig zuschreiben wollte. Damit wurde Heinrichs Anspruch auf Oberhoheit im Grunde bedeutungslos.
»Es wundert mich, daß der König diese Einschränkung erlaubt hat«, bemerkte Rowland.
»Das ist ein besonderer Dispens«, log Thomas. »Jene, die sich ihm öffentlich widersetzt haben, bekommen einen härteren Eid zu schwören. Aber niemand will loyale Männer wie dich in Verlegenheit bringen. Du darfst allerdings nicht darüber sprechen. Wenn irgend jemand fragt, dann sag einfach nur, daß du den Eid geschworen hast.« Und obwohl Rowland ein wenig die Stirn runzelte, erklärte er sich bereit, sich daran zu halten.
»Ich muß nun gehen«, erklärte Thomas. »Ich muß dem König Bericht erstatten.« Da sah er, wie Susan mit entsetztem Gesichtsausdruck aus dem Fenster starrte.
Cromwell machte sich
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