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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Verteidigung des Glaubens, doch ich fürchte, man wird es nicht so ansehen. Wenn man die Mönche des Charterhouse mit dem Tode bestraft, werden sie Märtyrer sein, und ganz England wird es wissen. Aber Rowland ist nicht wichtig. Eines Tages wird man ihn in aller Stille zusammen mit ein paar gemeinen Verbrechern hinrichten – ein unbekannter Diener des Königs, der Verrat begangen hat. Mehr wird man nicht wissen.«
    »Gott wird es wissen!«
    »Ja. Aber seiner Sache dienen die Mönche. Der arme Rowland ist nur ein treuer Familienvater, der zufällig am falschen Ort war.« Er seufzte. »Ich muß etwas beichten, Bruder. Ich bin heimlicher Protestant.«
    »Ich verstehe.« Peter versuchte seine Abscheu zu verbergen.
    »Dadurch und weil ich Cromwell diene, fühle ich mich doppelt schuldig. Ich falle vom Glauben meiner Familie ab und bin die Ursache für Rowlands Tod, so daß meine Schwester allein zurückbleibt, zugrunde gerichtet, mit vier Kindern. Ich frage mich, ob mein Leben ein Zehntel auch nur eines der euren wert ist? Ich glaube nicht. Könnte ich an Rowlands Stelle sterben, würde ich es tun.«
    Peter sah, daß er es ernst meinte, und stellte fest, daß er ihn trotz aller Fehler doch wieder lieben konnte. »Wenn du es nur könntest«, antwortete er ohne jeglichen Groll. Aber es gab nun nichts mehr, was irgend jemand für Rowland tun konnte.
    In dieser Nacht schlief Peter wenig. Immer wieder wälzte er sich auf seinem Bett hin und her, so daß Will Dogget, der es sich angewöhnt hatte, vor der Tür seiner Zelle zu schlafen, öfter hereinkam, um nach ihm zu sehen.
    Peter dachte an Susan und ihre Kinder. Er dachte an den grausamen Tod, der Rowland und zweifellos auch ihn erwartete, und wie jeder Mensch zitterte er davor, obwohl er immer wieder versuchte, Stärke im Gebet zu finden.
    Er wußte nicht genau, um welche Stunde er aus seinem unruhigen Schlaf mit einem neuen Einfall erwachte. Während er in die Dunkelheit starrte, überdachte er ihn noch einmal sorgfältig und kam zu dem Urteil, daß es gelingen könnte, wenn auch mit großen Risiken für alle Beteiligten. Doch es bestand noch eine weitere Schwierigkeit: War es ein Verbrechen, der Kirche Gottes auch nur einen ihrer Märtyrer zu versagen? Als Priester stand Peter Meredith vor einem entsetzlichen Dilemma – er wußte nicht, ob er richtig oder falsch handelte. Doch eines war klar. Er lief Gefahr, nun selbst seine unsterbliche Seele zu verlieren.
    Nichtsdestoweniger weckte er kurz nach Morgengrauen den treuen Will Dogget und sandte ihn fort, Thomas zu holen.
    Thomas hörte stumm zu, bis Peter geendet hatte. »Es ist sehr gefährlich für dich«, sagte der Priester.
    »Das nehme ich in Kauf.«
    »Wir brauchen einen starken Mann. Stärker als du oder ich.«
    »Das kann ich arrangieren. Aber der letzte Teil des Plans – das kann ich nicht tun.«
    »Du mußt«, erwiderte der Priester.
    An diesem Nachmittag suchte Thomas Meredith Dan Dogget auf. Er hatte eine Schuld einzufordern. »Ich habe Euch gesagt, daß mir etwas einfallen würde«, sagte er ihm lächelnd.
    Susan beobachtete Rowland, während er aus dem Fenster starrte, und fragte sich, wie er so ruhig sein konnte. Vor allem angesichts der Szene, die sich unten abspielte.
    Zuerst war er nicht ruhig gewesen. Wie furchtbar war dieser Maimorgen vor drei Tage gewesen, als sie sich dem Tower näherten. Der Mut verließ ihn, als das Boot nicht auf den normalen Anlegeplatz am alten Löwentor zusteuerte, sondern auf einen schmalen dunklen Tunnel genau in der Mitte der dem Wasser zugewandten Seite des Towers. Ein schweres Fallgitter ging knirschend nach oben, um ihn einzulassen, als sie unter dem Kai hindurchfuhren. Sie fuhren über eine tiefe Flußstelle, dann öffneten sich langsam die beiden Flügel eines riesigen, eisenvergitterten Schleusentores, als sie in ein schwach erleuchtetes Hafenbecken unter einer großen Bastei einfuhren. Das Verrätertor. Laß alle Hoffnung fahren, sagte man, wenn du auf diesem Weg in den Tower kommst.
    Ein paar Minuten später führte man ihn durch die hohe innere Mauer in ein Zimmer, das in dem erweiterten Turm lag, der als Blutturm bekannt war. Und so machte er die Bekanntschaft des Towers von London, einer Welt für sich. Nach außen war der Tower in den vergangenen Jahrhunderten kaum größer geworden, ausgenommen der Kai, der weiter in den Fluß vorgedrungen war; doch innerhalb seiner Mauern hatte man im Laufe der Jahrhunderte zahllose Anbauten errichten lassen – eine Halle hier,

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