London
calvinistischen Synoden, ihre Pastoren mußten spezielle Steuern zahlen, und sie durften keine Katholiken heiraten. Man bot ihnen Steuererlasse, wenn sie ihrer Ketzerei abschworen und in den Schoß der katholischen Kirche zurückkehrten. In jüngster Zeit gab es eine noch strengere Maßnahme. Jedes hugenottische Kind, das über sieben war, konnte ohne Zustimmung seiner Eltern konvertiert werden. Noch ein oder zwei Jahre, und seine Tochter würden unter Druck geraten.
Seine Rückkehr nach Frankreich war unter keinem glücklichen Stern gestanden. Sein Vater war wütend gewesen. »Du solltest für uns den Weg bereiten«, hatte er Eugene kalt erinnert und ein Jahr lang nicht mehr mit ihm gesprochen. Erst als er ein hugenottisches Mädchen heiratete, dessen Vater Weinhändler in Bordeaux war, wurde ihr Verhältnis wieder besser. Vor fünf Jahren war sein Vater gestorben, und Eugene war nun das Oberhaupt der kleinen Familie. Nicht daß der Zwist in der Familie damit beendet gewesen wäre. Nach einem Jahr konvertierte die junge Witwe des Vaters, verließ das Haus und heiratete einen Katholiken, der einen kleinen Weinberg besaß. Nun mußte Eugene nicht nur für seine eigenen kleinen Tochter sorgen, sondern auch für seine unverheiratete Halbschwester, die sich geweigert hatte, katholisch zu werden und mit ihrer Mutter zu gehen.
In den letzten vier Jahren machte König Ludwig XIV. den Hugenotten das Leben unerträglich. Er quartierte seine Truppen bei ihnen ein; Dragonerabteilungen kamen, aßen die Vorräte der Familie auf, zerbrachen Möbel und terrorisierten sogar die Frauen und Tochter. Eugene fragte sich, ob er nicht zusammen mit seiner Familie wieder nach England emigrieren solle. Das mußte finanziell jedoch reiflich überlegt werden. »Der König hat seinen Untertanen verboten, das Land ohne seine Erlaubnis zu verlassen. Das bedeutet«, warnte Eugene seine Frau, »daß wir wegen Fluchtverdacht verhaftet werden, wenn wir Haus und Möbel zu verkaufen versuchen. Wenn wir also fortgehen, haben wir nur, was wir tragen können.« Sein Handwerk als Uhrmacher brachte einen bescheidenen Lebensunterhalt ein; das Kapital der Familie lag in dem Haus und den Obstgärten, die er geerbt hatte.
»Wie lange«, fragte Eugene den Offizier, »werdet Ihr und Eure Dragoner mein Haus besetzen?«
»Wer weiß?« erwiderte der Offizier. »Ein Jahr? Zwei Jahre?«
»Und wenn ich konvertiere?«
»Dann könnten wir morgen fort sein.«
»Willkommen also in meinem Haus, Monsieur le Capitaine«, meinte Eugene ironisch. Während der nächsten zwei Monate, als die Familie in der Scheune schlief, beklagte er sich nicht. »Wir werden noch hier sein, wenn sie längst weg sind«, sagte er zu seinen Kindern. »Habt Geduld.« Eines Nachmittags kam der Offizier mit Hufgeklapper in den Hof geritten. »Ich habe Neuigkeiten für Euch«, verkündete er. »Das Edikt von Nantes ist widerrufen worden. Alle hugenottischen Pastoren werden verbannt, jeder Gefaßte wird hingerichtet. Alle Hugenotten müssen im Land bleiben, und die Kinder werden katholisch. Das ist das neue Gesetz.«
Schweigend zogen sich Eugene und seine Familie in die Scheune zurück. Um Mitternacht weckte er die Kinder. »Zieht euch so warm wie möglich an, nehmt auch eure Stiefel«, sagte er. »Wir gehen fort.«
Als ein Mann Gottes wußte Meredith, daß er es nicht tun sollte, aber als er von der London Bridge den Hügel heraufkam und O Be Joyful direkt auf sich zugehen sah, suchte er nach Deckung. Er stellte sich in den Schatten eines Eingangs und wartete, bis er vorüber war. Nach kurzer Pause hörte er scharrende Füße und sah den vertrauten Rücken des Handwerkers, der sich genau vor ihm auf die Stufe setzte. Nun hatte Meredith nur eine Wahl; er mußte die Stufen hinter sich hinaufgehen. Fünf Minuten später blickte er von der Spitze des Monuments von London.
Es gab nur wenige Anblicke in London, die so beeindruckend waren wie das Monument. Von Wren als einzelne, einfache dorische Säule entworfen, die als Mahnmal an den großen Brand erinnern sollte, hatte man sie nahe der Stelle in der Pudding Lane errichtet, wo die große Feuersbrunst begonnen hatte. Gebaut aus Portland-Stein, ragte sie über sechzig Meter in die Höhe, gekrönt von einer vergoldeten Flammenurne, die aufblitzte, wenn die Sonne auf sie fiel. Die endlose Wendeltreppe führte zu einer Aussichtsplattform unterhalb der Urne. Nachdem Meredith die Aussicht genossen hatte – man konnte die Themse meilenweit hinauf und
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