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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Rebellen« bedeutete. Diese bezeichneten die Gegner des Königs mit einem ebenso groben Beinamen: »Whigs«. Schottische Diebe hieß das. Sir Julius Ducket, gebunden durch persönlichen Eid und ein Leben in Königstreue, war Tory.
    Am Ende von Pall Mall stand das Tudortor des kleinen St. James's Palace, ein fröhlicher Ziegelbau, den der König manchmal bevorzugte und von dem aus man rasch in den Park gelangte. Sir Julius schritt über das Gras zu der langen Allee, The Mall genannt, die zum Mittelpunkt des Parks führte, wo sich König Karl II. frohgemut an der frischen Luft ergötzte. Sir Julius fühlte sich an jene andere Begegnung vor über vierzig Jahren erinnert, als er mit seinem Bruder Henry in Greenwich mit König Karl I. zusammengetroffen war. Doch was für ein Kontrast. Er dachte an den kleinen, keuschen, förmlichen Mann und verglich ihn mit dem eher dunkelhäutigen, großen Herrscher, der nun auf ihn zukam. Karl II. hatte nichts Förmliches an sich. Bei den Pferderennen in Newmarket, die er so liebte, mischte er sich fröhlich unter die Menge, und jedermann konnte mit ihm sprechen. Und keusch… Unter der Schar von Frauen, die mit ihm in der Mall spazierengingen, war auch Nell Gwynne, seine Favoritin. Der König begrüßte den älteren Mann herzlich. »Nun, Sir Julius, habt Ihr Euch einen neuen Namen ausgesucht?«
    Sir Julius Ducket sollte zum Lord erhoben werden. Karl II. belohnte seine treuen Freunde gern mit Titeln – die meisten seiner Bastarde hatte er zu Herzögen ernannt. Im Fall von Sir Julius war es eine praktische Notwendigkeit. Aus einer soliden Stadtfamilie ohne einen Hauch von Papisterei stammend, war Sir Julius genau die Art von Mann, die er im House of Lords brauchte, wenn in diesem Herbst wieder die Frage der Thronfolge aufkam.
    »Ich wäre gerne Lord Bocton, Eure Majestät.« Der alte Familiensitz; die Wahl war leicht gewesen.
    Der König nickte gedankenvoll. »Wir können darauf zählen, daß Ihr Uns bei diesem Ausschlußgesetz unterstützt? Ihr werdet Unseren königlichen Bruder nicht im Stich lassen?«
    »Ich habe Eurem Vater meinen Eid gegeben, daß ich seine Söhne unterstütze.«
    »Die Baronswürde ist Euer, lieber Lord«, lächelte der König, »aber wärt Ihr auch gerne ein Earl?«
    Einen Augenblick war Sir Julius zu erstaunt, um ein Wort herauszubringen. Die Baronswürde, der normale Rang eines englischen Peers, war eine schöne Sache. Darüber standen der Viscount und noch höher die drei Ränge des Hochadels: Earl, Marquis und Herzog. Wenn eine Familie diese schwindelnde Höhe erreichte, gab es darüber nichts mehr außer dem Monarchen.
    »Kommt, Lord Bocton!« rief Nell Gwynne gutmütig. »Wir können nicht den ganzen Tag im St. James's Park herumstehen und warten, bis Ihr ein Earl werdet. Denkt Euch einen Namen aus!«
    »Könnte ich der Earl von St. James sein?« fragte Julius, der sich an die Worte hielt, die er gerade gehört hatte.
    »Ihr könnt und Ihr werdet«, rief Karl. »Ihr seid Earl von St. James und Baron Bocton, und Wir zählen auf Euch.« Die Earlswürde kostete ihn nichts.
    Eine Stunde später rollte der frischgebackene Earl of St. James auf der Pall Mall zurück, die Gedanken wild durcheinanderwirbelnd.
    Seine Kutsche näherte sich dem alten Savoy-Palast, als er eine Gruppe von Männern bemerkte, die die grünen Bänder der Whigs trugen. Sie waren eindeutig auf dem Weg zu einer kleinen Demonstration vor dem Palast. Er hätte keinen zweiten Gedanken an sie verschwendet, wenn er nicht undeutlich eine vertraute, eher düster blickende Gestalt mit rundem Gesicht gesehen hätte: O Be Joyful aus dieser verfluchten Familie Carpenter. Gleich kamen ihm auch wieder Jane Wheeler und ihr Fluch gegen seine Familie ins Gedächtnis. Lächelnd überlegte er, daß die Ereignisse des heutigen Tages die Nichtigkeit dieses Fluchs bewiesen.
    Während des Sommers wurde O Be Joyful das volle Ausmaß der papistischen Verschlagenheit Sir Christopher Wrens klar. Wurde eine große Kirche gebaut, begann man normalerweise mit dem östlichen Teil und stellte diesen zuerst fertig. Auf diese Weise konnten schon Gottesdienste abgehalten werden, während der Rest der Kirche errichtet wurde. Doch bald begriff O Be Joyful, daß Wren vorhatte, zumindest das gesamte Fundament fertigzustellen, bevor er weiter nach oben baute. O Be Joyfuls Mißtrauen wurde weiter geschürt, als er eines Tages Ende 1677 in die Bauhütte ging, die Wren und die anderen Bauleiter benutzten, weil er den Entwurf der

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