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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Kopf; die schweren Seiten fielen bis auf die Schultern. Sie war teuer, und in der einen oder anderen Form sollte diese Mode über ein Jahrhundert lang ein wesentliches Ausstattungsstück der Oberschicht und in englischen Gerichten noch lange danach bleiben.
    Die Szenerie um Sir Julius zeugte von vitalem neuem Leben. Zusätzlich zu der neuen Stadt, die in London errichtet wurde, wuchs die Bebauung um Whitehall jedes Jahr. Im Norden wurde der klassische Leicester Square angelegt; im Westen, entlang der nördlichen Begrenzung des St. James's Park, war die frühere Allee Pall Mall zu einer langen Straße mit schönen Häusern geworden. Hoher und niedriger Adel lebten dort, und auch die Schauspielerin Nell Gwynne, die derzeitige Favoritin des Königs. Oberhalb von Pall Mall näherten sich die St. James's Street, die Jermyn Street und der prächtige St. James's Square der Vollendung. Das war das West End, der neue Wohnsitz der Aristokratie. Diese blühende Entfaltung Londons hatte für Sir Julius auch bedeutet, daß sein Vermögen weiter zunahm. Er hatte die Bewilligung erhalten, einige Straßen auf den ehemaligen Jagdgebieten – immer noch nach dem Jagdruf »Soho« benannt – oberhalb des Leicester Square zu bauen. Der Profit war riesig. Aber es war das Gefühl, gebraucht zu werden, das ihn in gehobene Stimmung versetzte. Die Monarchie war erneut in Schwierigkeiten, und sein König hatte ihn um Hilfe gebeten.
    In gewisser Weise war die Sache absurd – obwohl sie die Thronfolge betraf. Karl II. von England hatte immer noch keinen rechtmäßigen Erben. Natürlich hatte er eine Menge unehelicher Kinder, und einer von ihnen, ein brillanter junger Protestant, den man den Herzog von Monmouth nannte, war sehr beliebt. »Aber man kann keinen Bastard zum König krönen«, betonte Sir Julius. Legitimität war ein Schlüsselelement der Monarchie, und deshalb würde nach Karl II. sein katholischer Bruder Jakob kommen.
    Jakob hatte nur zwei Tochter, Maria und Anna, die beide unbestreitbar protestantisch waren. Zwar hatte er nach dem Tod seiner ersten Frau erneut geheiratet – zu jedermanns Mißfallen eine Katholikin –, doch der Ehe waren keine Kinder entsprungen. Im Bemühen, seine protestantischen Untertanen zu beruhigen, hatte der König seine Nichte Maria mit dem holländischen Erzprotestanten Wilhelm von Oranien verheiratet, einem tödlichen Widersacher Ludwigs von Frankreich und alles Katholischen. »Wenn der König also eines Tages vor seinem Bruder stirbt, werden wir ein paar Jahre lang Jakob, aber dann sehr wahrscheinlich einen der protestantischsten Könige von Europa haben«, folgerte Sir Julius. »Kein Grund, sich Sorgen zu machen.«
    Doch es gab einen Grund namens Titus Oates. Die Geschichte hat einiges an üblen Streichen erlebt, aber kaum verheerendere als den großen Schwindel von 1678. Titus Oates, krummbeinig und hohlwangig, ein bekannter – wenn auch erfolgloser – Gauner, ersann plötzlich einen Weg, wie er berühmt werden konnte. Zusammen mit einem Komplizen entlarvte er ein so furchtbares Komplott, daß ganz England erzitterte. Die Verschwörer, behauptete Oates, seien Papisten, die den König ermorden, seinen Bruder Jakob auf den Thron heben und das Königreich als dem Papst Untertan erklären wollten. Alles, was puritanische Engländer fürchteten. Und es war von Anfang bis Ende eine Erfindung. Manche Details waren absurd. Als König Karl hörte, die papistische Armee werde von einem älteren katholischen Peer angeführt – der seit langem bettlägerig war, was Oates offenkundig nicht wußte –, brach er in Gelächter aus. Aber wie zumeist in der Politik war die Wahrheit unwichtig, wichtig war nur, was die Leute glaubten. Während die Freunde des Königs im Parlament protestierten, schrien jene, die die Macht der Krone schmälern wollten, nach Gerechtigkeit, und Oates' Unterstützer paradierten mit grünen Bändern auf den Straßen Londons. Katholiken wurden gejagt und beschimpft. Oates selbst bekam eine Wohnung in der Nähe Whitehalls und wurde umhätschelt wie ein Prinz. Und vor allem wurde der Schrei laut: »Ändert die Thronfolge!« Manche sprachen von Wilhelm von Oranien, andere von dem illegitimen Herzog von Monmouth, doch am lautesten war der Schrei: »Schließt den katholischen Jakob von der Erbfolge aus! Keinen papistischen König!«
    Die Unterstützer des Königs, die der Ansicht waren, das Prinzip der Vererbung müsse unangetastet bleiben, bekamen den Spitznamen »Tories«, was »irische

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