London

hinab sehen –, spähte er über die Brüstung, um zu sehen, ob er wieder hinuntersteigen konnte, doch O Be Joyful war immer noch da.
    Es war nicht erstaunlich, daß der Holzschnitzer etwas auf dem Herzen hatte; es war ein ereignisreiches Jahr gewesen. Im Februar war König Karl II. ohne Anzeichen einer Krankheit ganz plötzlich gestorben, sein katholischer Bruder war König Jakob II. geworden. Zur allgemeinen Erleichterung hatte er sich bei seiner Krönung im Frühjahr gewissenhaft an den anglikanischen Ritus gehalten, doch es gab deutliche Anzeichen, daß er für seine katholischen Untertanen mehr Toleranz wollte. Titus Oates, den man in diesem Sommer endgültig als Betrüger entlarvt hatte, war, an einen Karren gebunden, von Aldgate bis Newgate durch die Straßen gepeitscht worden. Der junge Monmouth hatte seine Beliebtheit völlig überschätzt und versucht, im West Country einen protestantischen Aufruhr anzuzetteln. Die regulären Truppen unter dem fähigen Kommando John Churchills hatten die Rebellen rasch niedergeworfen; Monmouth wurde hingerichtet. Das Nachspiel war beunruhigender. Richter Jeffreys hatte im sogenannten Blutgericht die Rebellen zu Dutzenden zum Tode durch den Strang verurteilt, und Jakob war so angetan, daß er Jeffreys zum obersten Richter ernannte. Meredith wußte, daß der Gedanke daran ausreichte, um O Be Joyful stundenlang zu quälen.
    Je älter er wurde, desto weniger hatte Meredith den Wunsch, sich mit solchen Dingen zu beschäftigen. Was waren letzten Endes diese vorübergehenden Angelegenheiten der Menschen im Vergleich zu den großen Rätseln des Universums? Eines der größten war dieses Jahr in London gelöst worden. Es war Halleys Idee, unterstützt von Pepys, dem damaligen Präsidenten, daß die Royal Society die Theorien veröffentlichte, die Isaac Newton, ein ziemlich mürrischer Professor aus Cambridge, entwickelt hatte. Während Newton seine Theorien zur Veröffentlichung vorbereitete, richtete er monatelang unzählige Anfragen an das Observatorium von Greenwich, um astronomische Informationen zu erhalten. Meredith hatte daher bereits eine recht genaue Vorstellung von Newtons Gravitationstheorie, die ihn faszinierte. Er wußte, daß die Anziehung zwischen zwei Körpern vom Quadrat der Entfernung zwischen ihnen abhing; er verstand auch, daß zwei Gegenstände, die man von einer bestimmten Höhe fallen ließ, unabhängig von ihrer Masse in derselben Geschwindigkeit fielen. Während er nun so nach unten blickte, fiel ihm plötzlich ein, daß das Monument ein ausgezeichneter Ort für eine solche Demonstration sei. Tatsächlich, überlegte er sarkastisch, würden zwei Gegenstände, die man jetzt zugleich hinunterwarf, zu exakt derselben Zeit auf O Be Joyfuls Kopf landen.
    Als alles fertig war, beteten sie; dann steckten sie die Kinder in die Fässer. Eugenes Schwiegervater war ein untersetzter, kräftiger Mann. Eugene wußte, daß der Kaufmann aus Bordeaux ihnen eher als die meisten anderen helfen konnte, und er wußte, daß es um so besser war, je eher sie das Land verließen. »Viele Hugenotten werden dasselbe versuchen, so daß die Fluchtwege bald versperrt sein werden – oder von der Obrigkeit entdeckt«, sagte er zu seiner Frau.
    Ludwig XIV. der Sonnenkönig, war ein Alleinherrscher, dessen Machtfülle sich selbst Karl I. von England nicht hätte träumen lassen. Der König, der den riesigen Palast von Versailles erbaut, die protestantischen Holländer fast vernichtet und das Edikt von Nantes aufgehoben hatte, würde sicher gründlich sein. Nur eine Stunde nachdem sie sich in das Haus des Kaufmanns geschlichen hatten, berichtete eines der Kinder, daß Truppen auf den Kais patrouillierten und jedes Schiff inspizierten.
    Eugenes Vertrauen in seinen Schwiegervater war berechtigt. »Das Schiff, auf dem ich euch verstecken werde, ist englisch; der Kapitän und ich haben seit Jahren geschäftlich miteinander zu tun. Er ist vertrauenswürdig.« Es fuhr zu dem englischen Hafen Bristol.
    Eugene dankte dem Kaufmann, daß er ein solches Risiko auf sich nahm, und fragte, ob er ihnen folgen wolle.
    »Nein«, erwiderte der ältere Mann traurig. »Ich werde konvertieren müssen. Du hast ein Handwerk – du kannst überall arbeiten. Aber ich verschiffe Wein. Alles, was ich besitze, ist hier, und ich habe noch fünf Kinder zu versorgen. Zumindest für den Augenblick muß ich also Katholik werden. Vielleicht werden die Kinder mit der Zeit nachkommen.«
    Das Hauptproblem war, wie man Eugene