London
katholische Monarch würde wahrscheinlich nicht mehr lange leben, und die Aussichten auf einen gesunden männlichen Erben waren gering.
»England wird protestantisch bleiben«, versicherte er Penny. »Auch mit Dragonern – er kann den Katholizismus nicht mit Gewalt durchsetzen. Ihr seid sicher.«
O Be Joyful arbeitete gern im St. James's Palace. Die großen Schnitzereien, die Grinling Gibbons übernommen hatte, waren fertig, aber es gab eine Menge kleiner Aufgaben, die ihm übertragen worden waren. An diesem Nachmittag hatte er Früchte und Blumen in ein Paneel über einer Tür geschnitzt, nicht so hervorragend wie Gibbons' Arbeit, aber gut, und er war stolz darauf. Nun wollte er es noch mit Bienenwachs polieren. Um bequemer arbeiten zu können, baute er auf seiner Seite des Türstocks ein kleines Gerüst auf, auf dem man ihn kaum sah. Die Tür war nur angelehnt. Kurz darauf hörte er flüsternde Stimmen, als zwei Männer sich der Tür näherten. Die Tür ging auf, ein Kopf erschien, als jemand sich rasch umblickte, ob der Raum auch leer sei, dann setzten die beiden Männer ihre Unterhaltung fort. Einer war ein jesuitischer Priester, und verlegen wollte O Be Joyful den Männern schon seine Anwesenheit kundtun, als der andere Mann zu reden begann.
»Meine einzige Furcht ist, daß der König zu rasch vorgeht.«
O Be Joyful erstarrte. Vermutlich zwei Papisten. Was würde geschehen, wenn sie ihn entdeckten? Doch er konnte der Versuchung, sie zu belauschen, nicht widerstehen.
»Der König ist entschlossen, ganz England zurück unter Roms Kirche zu bringen, aber Ihr müßt ihn drängen, vorsichtig zu sein. Es kann nicht über Nacht geschehen, nicht einmal mit Gewalt.«
»Lieber Pater John.« Der Jesuit sprach Englisch, aber mit französischem Akzent. »Wir alle bedauern natürlich, daß den protestantischen Sekten im Augenblick Toleranz gewährt werden muß, doch die Heilige Kirche hat die Zeit auf ihrer Seite. Und Ihr könnt uns nicht der Ungeduld anklagen, da wir mit dieser königlichen Familie schon seit einiger Zeit zusammenarbeiten.«
»Aber Jakob ist erst seit kurzer Zeit König«, konterte der englische Priester.
»Eines ist Euch vielleicht nicht bekannt. König Karl II. ist mit dem wahren Glauben versöhnt gestorben. Er hat es vor seinem Volk geheimgehalten, aber als er starb…«
»Der Erzbischof von Canterbury hat ihn begleitet.«
»Richtig, aber als der Erzbischof die Vordertreppe hinunterging, kam Pater Huddlestone heimlich über die Hintertreppe herauf. Er nahm Karl die Beichte ab und gab ihm die Letzte Ölung. Und ich sage Euch noch eines. Lange davor schloß Karl ein geheimes Abkommen mit König Ludwig von Frankreich, in dem er versprach, seinen wahren Glauben zu erklären und England zurück zu Rom zu bringen; König Ludwig versprach ihm dafür alle Streitkräfte, die dafür nötig waren. Nur eine Handvoll am französischen Hof weiß das; Karl hat selbst seine vertrautesten Minister getäuscht. Englands Konversion wird bereits seit fünfzehn Jahren vorbereitet. Ich sage Euch das nur, damit Ihr besser versteht, was Ihr zu tun habt.«
König Karl – die ganze Zeit heimlicher Katholik? O Be Joyful zitterte. Obwohl er immer an eine katholische Verschwörung geglaubt hatte, war es entsetzlich, es so kühl ausgesprochen zu hören. Der französische König – bereit, Gewalt anzuwenden? Das Toleranzedikt nur vorübergehend? Penny hatte also recht, es war alles eine Falle. Augenblicke später hörte er, wie sich die beiden Männer entfernten. Sein erster Impuls war, daß er alle warnen mußte. Aber wer würde ihm glauben? Man würde sagen, er sei ein zweiter Titus Oates, ein Lästermaul, ein Betrüger. Die andere Möglichkeit war, sein Geheimnis für sich zu behalten und still und friedlich weiterzuleben. Und wenn England an Rom ausgeliefert wurde? Schicksal. Er war hilflos, er war verdammt, und wahrscheinlich ganz England mit ihm.
Plötzlich setzte er sich auf. Zu seiner eigenen Überraschung wurde O Be Joyful von einem Zorn übermannt, wie er ihn noch nie empfunden hatte. Seine Selbstverachtung und der ganze Groll gegen die Betrügereien dieser königlichen Papisten bündelten sich zu einer Flamme des Zorns. Nein, beschloß er. Diesmal würde er ihnen die Stirn bieten, egal um welchen Preis. Er stieg von seinem Versteck herunter und verließ den Palast. Er würde zum protestantischen Lord-Mayor Londons selbst gehen, und wenn es sein mußte, auch zu allen Gilden.
Immer noch getrieben von dieser
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