London
Seetauglichkeit geprüft wurde. Forsyth stellte die Fragen, er antwortete. Seine Familie? Er schilderte sie. Sein Glaube? Seine Vorfahren waren Hugenotten. Darauf folgte ein Schnauben, anscheinend billigend. Er selbst, gestand Eugene, gehöre der anglikanischen Kirche an, aber auch das schien akzeptabel zu sein. »Sie ist solide«, meinte Forsyth. Seine Stellung? Er erklärte, daß er Angestellter beim Bankhaus Meredith sei. Forsyth sah nachdenklich drein. Dazu aufgefordert, seine Vermögensverhältnisse offenzulegen, gab Penny wahrheitsgemäß Auskunft und berichtete detailliert über seine Geschäfte. Das entlockte Forsyth einen Seufzer. »Dieser Markt ist überhitzt, junger Mann. Steigen Sie da aus, oder Sie verbrennen sich die Finger.«
Eugene war klug genug, nicht zu widersprechen. »Wann soll ich aussteigen, Sir?«
»Ostern«, erwiderte Forsyth. Ganz plötzlich fragte er dann: »Sie tragen eine Brille, Mr. Penny. Wie schlecht sind Ihre Augen?«
Eugene erklärte, daß auch sein Vater und sein Großvater kurzsichtig gewesen waren. »Aber offenbar wird es nicht schlimmer«, fügte er hinzu.
Ob Forsyth sich damit zufriedengab, konnte Eugene nicht beurteilen; bald schon wurden ihm eine Reihe von Fragen über das Bank- und Finanzwesen gestellt, die ihm klarmachten, daß der Schotte wirklich ein scharfsinniger Kopf war. Zumeist fielen ihm die Antworten nicht schwer, aber bei der letzten Frage zögerte er doch. »Was halten Sie von der Rückkehr zum Goldstandard, Mr. Penny?«
Eugene erinnerte sich an die Antwort, die er dem Earl of St. James gegeben hatte, doch ihm war klar, daß hier eine andere Meinung angebracht war. »Ich bin für den Goldstandard, Sir«, erwiderte er.
»Ach?« Forsyth war überrascht. »Und warum, wenn ich fragen darf?«
»Weil ich der Bank von England nicht traue«, sagte Penny kühn.
»Soso.« Selbst Forsyth war einen Augenblick lang sprachlos. »Man findet in der City nicht oft einen jungen Mann mit solchen Ansichten.« Eugene hatte ins Schwarze getroffen. Für Forsyth war sogar die Bank von England ein unsicheres Schiff. Nun konterte er. »Sie haben also Zuneigung zu Mary gefaßt? Sie ist keine Schönheit.«
Mary Forsyth hatte eine schlanke Figur, braunes Haar, das in der Mitte gescheitelt war, und sah ein wenig brav aus. Sie hatte nichts Modisches oder Kokettes an sich. Ihre Schönheit lag in ihrem liebenswerten Gemüt und ihrer hohen Intelligenz. Eugene liebte sie aufrichtig. »Ich bitte, Ihnen widersprechen zu dürfen, Sir.«
Forsyth schnupfte. Eine Pause. »Dann sind Sie also hinter ihrem Geld her.«
Eugene überlegte. Obwohl Forsyth nicht als reicher Mann galt, gab es keinen Zweifel, daß er ein beträchtliches Vermögen hatte, und Mary war sein einziges Kind. Es wäre unaufrichtig, vorzugeben, daß ihm diese Tatsache gleichgültig war. »Ich würde nie danach trachten, eine Frau zu heiraten, die ich nicht liebe und respektiere, Sir«, antwortete er. »Was ihr Vermögen betrifft – ich bin nicht so sehr auf Geld aus. Aber ich möchte in eine Familie einheiraten, die solide ist.«
»Solide? Ich bin solide, Sir. Dessen können Sie sicher sein.« Forsyth nahm eine Prise. »Sie sind jung, Mr. Penny. Sie müssen sich noch etablieren. Natürlich kann Mary einen besseren Antrag bekommen. Aber wenn nicht, werden wir Sie in ein paar Jahren noch einmal in Betracht ziehen. In der Zwischenzeit können Sie Mary hin und wieder besuchen.«
Lucy kam jeden Tag an dem Haus vorbei, sah aber immer weg, denn ebendiesem Ort galt es zu entrinnen – dem Armenhaus. Es war die große Furcht jeder notleidenden Familie, und das Armenhaus im Kirchspiel St. Pancras war so schlimm wie alle anderen. Es lag zwischen zwei schmutzigen Durchgangsstraßen neben heruntergekommenen Lagerhäusern und einem ehemaligen Gefängnis; der schmutzige Hof war übersät von Abfall. Man hatte das alte Haus vor ein paar Jahren erweitern müssen, da weiß Gott wie viele arme Kreaturen dort eingepfercht leben mußten.
Theoretisch waren die Armenhäuser der Kirchspiele dazu da, den Armen zu helfen. Wer nicht für sich selbst sorgen konnte, sollte eine Unterkunft bekommen, die Kinder sollten ein Handwerk lernen, die Erwachsenen sollten eine Arbeit bekommen. Die Praxis sah anders aus. Die Leute wollten für die Armen der Gemeinde kein Geld spenden. Daher gaben die Kirchspiele so wenig wie möglich aus, und Kontrollen gab es kaum. Zumeist waren diese Häuser voller Kranker – und die Armen, die gesund dort hinkamen, blieben
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