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Long Reach

Long Reach

Titel: Long Reach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Cocks
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dachte ich an etwas Schönes, verheddert in den glücklichen Erinnerungen. Und dann kehrte die Realität zurück   – ein tiefer Schlag in die Eingeweide. Ich versuchte, wieder einzuschlafen, lag aber mit offenen Augen da, bis es hell wurde. Ich stand auf und verzog mich aufs Klo, um den Knoten im Bauch loszuwerden. Dann stand ich vor der Tür zu dem kleinen Schlafzimmer, im dem Steve gewohnt hatte, wenn er zu Hause gewesen war.
    Weder meine Mutter noch ich hatten irgendwas in dem Zimmer auch nur angerührt, seit er weg war, geschweige denn etwas weggeschmissen. Leise schob ich die Tür über den Teppich und trat in das frühmorgendliche Licht, das in Streifen durch sein Fenster einfiel. Noch ein Sonnenaufgang, den Steve nicht sehen würde. Nie wieder.
    Es gab keine Überraschungen. Es war, was es war: Steves Zimmer. Das Schlafsofa war zusammengeklappt, der Boden übersät mit kistenweise Kram. Es roch nach Steve. Ich schloss die Augen, holte tief Luft, und fast war es, als wäre er mit mir im Zimmer. Ich ging seinen C D-Stapel durch: fast nur die üblichen Rockdinosaurier aus den Siebzigern und Bands aus den Achtzigern, von denen ich noch nie gehört hatte.
    Ich durchsuchte die Kisten: Hanteln, ein paar Männermagazine, eine Glasbong. Nichts Persönliches, Kram eben. Nichts, das dem Wenigen, was ich über meinen Bruder wusste, irgendetwas hinzufügte.
    Ich öffnete den Schrank, steckte meinen Kopf in die Klamotten und inhalierte den Geruch nach Lederjacke und Aftershave und schon sah ich ihn vor mir. Ich wühlte in seinen Taschen herum und fand nichts außer leeren Kippenschachteln und Fahrscheinen ab oder nach New Cross.
    Und dann entdeckte ich die Plastikbörse, die in einer seiner Taschen steckte. Geld war keines drin, nur ein weiterer Zugfahrschein und eine Karte. Es war eine Mitgliedskarte für einen Club in New Cross, The Harp Club. Darauf waren eine Harfe und ein Kleeblatt, grün auf weiß. Und ein Foto von Steve, vor ein paar Jahren, noch mit Bart. Ich weiß noch, wie er sich den Bart wachsen ließ. Meine Mutter hatte ihn gehasst. Steve hatte gelacht und gesagt, der würde sein Doppelkinn kaschieren.
    Neben dem Foto stand ein Name. Nicht Steve Palmer, sondern ein anderer. James Boyle. Eine andere Identität. Jimmy.
    Ich schloss die Zimmertür und ging in die Küche, um mir Tee und Toast zu machen. Wieder starrte ich auf die Karte und versuchte, aus dem leeren Ausdruck auf Steves Gesichtirgendetwas herauszulesen. Er verriet nichts. Ich schaute auf die Uhr   – fast neun. Ein neuer Tag, der wieder einfach so verstrich. Also traf ich meine Entscheidung und schnappte mir das Telefon.
    »Tony Morris«, kam die Stimme am anderen Ende.
    »Ich bin’s«, sagte ich. »Du hast da was gesagt von einem Job.«

Drei
    Keine Ahnung, was ich dachte, als ich Tony Morris’ Büro betrat. Eine klare Vorstellung davon, was das für ein Job sein sollte, hatte ich sicher nicht. Wahrscheinlich wollte ich einfach nur herausfinden, was genau mein Bruder getrieben hatte.
    Allein schon das Hinfinden war der Wahnsinn. Er hatte mir eine Adresse in der Innenstadt genannt, nahe Leicester Square, und als ich sie endlich entdeckt hatte, entpuppte sie sich als Musikgeschäft. Eigentlich bestand die ganze Straße nur aus Musikläden, mit Instrumenten in der Auslage und Heavy-Metal-Riffs, die aus den Ladentüren drangen. Ich überprüfte noch einmal die Hausnummer. Definitiv richtig, aber das Geschäft war gerammelt voll mit elektrischen Gitarren.
    Ich trat ein. Ein Typ mit Jack-Daniel’s- T-Shirt und struppigem Bart schraddelte auf einer Gitarre herum. Er blickte auf und nickte. Ich nickte auch und er hörte auf zu spielen.
    »Hey«, sagte er.
    »Ich weiß nicht, ob ich hier richtig bin«, antwortete ich. »Ich will zu Tony Morris.«
    Jack Daniel grinste und legte seine Gitarre beiseite. Dann ging er zu einer Wand, an der Unmengen von Gitarrensaiten in kleinen Briefchen hingen, fand einen Griff und zog eine Tür auf.
    »Bis zum Ende durch und dann die Treppe hoch«, sagte er und wies durch den Eingang.
    Ich stieg die Treppe hoch und gelangte zu einer Tür, auf der
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stand. Eine andere Tür gab es nicht, also drückte ich auf den Summer und wurde eingelassen. Ein hübsches, dunkelhaariges Mädchen hob den Kopf, als ich eintrat. Sie lächelte. Sie war wohl Mitte zwanzig und ziemlich stark geschminkt. An den Wänden hinter ihr hingen gerahmte Fotos von anderen scharfen Mädchen.
    »Hi«, grüßte sie.
    »Ich glaub, ich

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