Long Tunnel. Ein Roman des Homanx- Zyklus.
gibt sicherlich welche, denen wir noch nicht begegnet sind. Die Schwimmer sind in gewissem Maße nützlich. Wir haben sie halbwegs gezähmt und domestiziert.«
»Aber so eindeutig schwimmen sie ja gerade nicht«, stellte er fest.
»Ich habe ihnen den Namen nicht gegeben, dafür ist jemand anders verantwortlich. Sie sind dreigeschlechtlich, weshalb man sie immer nur in Trios zusammensieht. Wir lassen sie herumlaufen, wo sie wollen.«
»Was tun sie denn - den Boden reinigen wie Staubsauger?«
»Nein.« Sie lachte. »Sie verzehren keinen Schmutz und Staub, wenn du das meinst. Aber diese Welt lebt, Flinx. Die Fußböden und Wände, die Luft in den Höhlen ist voll von Rost und Hefearten und Pilzen. Die Hälfte der Wissenschaftler, die hier arbeiten, sind Mykologen. Das meiste von dem, was sie bereits klassifiziert haben, ist gutartig, aber nicht alles, und einiges ist direkt gefährlich. Die mit dem Kartographieren befaßten Höhlenforscher tragen bei ihrer Arbeit ständig Masken, um sich zu schützen, falls sie auf etwas Tödliches treffen.
Zwischen den Gutartigen und den Tödlichen gibt es eine riesige Gruppe von kleinen Organismen, die einen mit einem Schnupfen infizieren oder auf die Atmung oder das Ausscheidungssystem einwirken, wenn man etwas davon einatmet. Die meiste Zeit über halten sie sich auf dem Erdboden auf, aber das Herumgehen wirbelt sie hoch. Die Schwimmer sind ganz versessen darauf. Demnach sind sie wirklich so etwas wie Sauger, allerdings nicht auf Staub spezialisiert. Sie filtern die Organismen heraus, die sie aufgesogen haben. Sie sind eher mit Bartenwalen zu vergleichen, wenn auch in viel kleinerem Maßstab. Natürlich verzehren sie die gutartigen Organismen genauso hungrig wie die schädlichen, aber das ist für uns kein Verlust.«
Sie steuerte auf eine vertraut aussehende Haltestelle eines Kurierwagensystems zu, vertraut bis auf die Tatsache, daß es das erste System ohne Dach war, das Flinx jemals gesehen hatte. Die Siedler von Long Tunnel brauchten sich nicht vor dem Wetter zu schützen.
»Es ist nicht weit bis zum Coldstripe-Komplex«, erklärte sie.
»Meldest du uns nicht an, damit man weiß, daß wir kommen und daß du wieder da bist?«
Sie grinste boshaft. »Nein. Es ist ein ganz schön gleichgültiger Haufen. Bereiten wir ihnen doch eine Überraschung.«
Sie stieg in einen der vier Passagierwagen, und er folgte ihr. Ihre Finger gaben die Daten für den Zielort ein. Augenblicklich stieg der Wagen auf seiner Magnetschiene einen halben Zentimeter hoch und beschleunigte.
Flinx nahm die glatten Wände und den schmalen Serviceaufgang wahr, während sie durch einen unregelmäßigen Tunnel jagten. Die Beleuchtung entlang der Strecke war angenehm hell, und außer den soliden Felswänden wies nichts darauf hin, daß sie unterirdisch unterwegs waren. Genausogut mochten sie sich in jedem anderen Transporttunnel auf der Erde oder auf irgendeiner anderen industrialisierten Welt befinden.
Andere Wagen rasten auf der parallel verlaufenden Schiene in Richtung Hafen vorbei. Einige davon waren kleine Passagierwagen so wie der, in dem sie saßen, andere glichen Miniatureisenbahnen und transportierten Fracht. Es gab Abzweigschienen, die in Seitengängen verschwanden, doch sie hielten sich auf der Hauptstrecke.
»Hast du bemerkt, daß sie reichlich pigmentiert waren?«
»Wie bitte?« Flinx blickte soeben in den Tunnel. Die Szenerie erinnerte ihn an eine Vergnügungsfahrt, zu der Mutter Mastiff ihn als Kind mitgenommen hatte. Weniger abwechslungsreich, nicht so wild, keine Holos, aber auf ihre Art genauso faszinierend.
»Die Schwimmer. Gelb und blau. Das kommt daher, daß viele Lebensformen immer noch auf die Nahrung angewiesen sind, die von oben herunterkommt. Wind und Regen machen es nahezu unmöglich, daß so etwas wie eine höhere Fauna gedeihen kann, doch einige Pflanzen haben sich recht gut angepaßt und sich auszubreiten begonnen. Auf der Oberfläche gibt es nichts, das sie auffressen könnte. Daher findet die organische Materie, die sie produzieren, ihren Weg in Höhlenöffnungen und Sickerlöcher. Es gibt ein vollständiges Ökosystem, das von der Übergangszone zwischen innen und außen abhängt. Die Schwimmer gehören dazu. Daher weisen sie eine Färbung auf, während die meisten Kreaturen, die im tiefen Höhlensystem leben, längst alle Hautpigmente verloren haben. Es ist schon ein Erlebnis, so etwas wie einen Goralact zu sehen, ein ziemlich großes Tier, in der Masse etwa einer Kuh
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