Lord Garrows widerspenstige Braut
den leeren Raum. Niemand antwortete ihm. Er blickte sich um. Wo mochten die beiden wohl stecken? Sie konnten das Haus nicht verlassen haben. Und nach dem, was in Drevers vorgefallen war, würden sie ja wohl kaum mit Susanna oder ihm Kontakt aufnehmen wollen.
Ein beunruhigender Gedanke schoss ihr durch den Kopf. Eastonby ist bei Susanna, dachte er. Mit einem merkwürdig flauen Gefühl im Magen stand er vor der Tür zu ihrer Suite. Ihm brach der Schweiß aus. Vorsichtig drückte er die Klinke hinunter. Sie war abgeschlossen. Erleichtert atmete er auf und machte einen Schritt zurück. Er schlug mit der Faust gegen die Tür. "Susanna? Ich bin zurück!" rief er laut.
Plötzlich hörte er, wie der Riegel langsam zurückgeschoben wurde, und die Tür öffnete sich. James hatte freien Blick zum Wohnzimmer. Der Earl lag schlafend auf dem Sofa. Miranda stand neben Susanna. Viel zu nahe bei Susanna, wie James verspätet klar wurde. Susanna warf ihm einen warnenden Blick zu und deutete mit dem Kinn in Richtung der Tür. Mr. Fowler?
Ohne zu zögern, schlug James die Tür gegen den, der hinter ihr stand. Aber er hatte sich getäuscht: Es war nicht Mr. Fowler, der ihn erwartete. Statt seiner sprang Frank Colin hinter der Tür hervor und feuerte.
James packte Mr. Colins Arm im selben Moment und riss ihn mit aller Macht nach oben. Die Kugel traf mit lautem Knall die Stuckdecke. Beide Männer rangelten um den Revolver. James trat gegen Mr. Colins Knie, klammerte seine Finger um dessen Handgelenk und schüttelte ihn, bis er die Waffe fallen ließ.
Die Frauen schrien. Dann knallte es noch einmal. Besorgt warf James einen Blick zum Teetisch hinüber. Mr. Colin traf ihn mit der Faust am Kinn. Mit einem Schrei schlug James zurück. Wieder und wieder. Schließlich wurde Mr. Colin unter ihm ohnmächtig.
"Susanna?" rief James, während in seinen Ohren noch immer der Schuss nachhallte. "Bist du verletzt?"
"Nein. Kümmere dich um Vater, James!"
Er hob die Waffe auf und drehte sich zu ihr um. Susanna saß auf Mirandas Rücken und riss mit beiden Händen an ihrem Haar, um sie zu bändigen. Miranda zeterte und schlug wild um sich. Ihre Pistole lag neben Susannas Fuß. James nahm beide Waffen an sich und eilte zum Sofa.
"Dein Vater hat eine hässliche Wunde am Kopf", erklärte er. "Aber er ist wohl nur ohnmächtig." Fassungslos starrte er sie an. "Wer war das? Mr. Colin?"
"Nein – sie !" fauchte Susanna und riss hart am Kopf ihrer Gefangenen. Miranda fluchte etwas Obszönes.
"Lass mal, das genügt", meinte James begütigend. "Lass sie ruhig aufstehen. Wenn sie sich bewegt, schieße ich." Diese Warnung war an Miranda gerichtet. Er hatte nicht die Absicht, sie oder irgendjemanden sonst zu erschießen, wenn er nicht musste.
"Erschieß sie besser gleich!" rief Susanna aus, die kurz davor war, zu weinen. "Sie hätte Vater umbringen können – sie wollte uns alle ermorden!"
"Ja, aber dein Vater wird wieder gesund werden. Alles wird gut werden, Susanna, beruhige dich!"
In diesem Moment kam Snively mit anderen Dienstboten durch die offene Tür gestürzt. "Wir haben Schüsse gehört! Was ist pass…" Entsetzt hielt er inne. Die Kinnlade fiel ihm herunter, bei dem Bild, das sich ihm bot: Der Earl of Eastonby lag tot auf dem Sofa. Lady Susanna drückte Mrs. Smythe zu Boden. Ihr Oberteil war zerrissen, ihre Locken aufgelöst und ihre Röcke bis zu den Knien gerutscht. Und Mr. Smythe schien ein Nickerchen auf dem Boden zu halten.
"Thomas, wollen Sie sich bitte um die Verletzung Seiner Lordschaft kümmern?" bat James müde. "Und schicken Sie nach der Polizei."
Die nächste Stunde wurden James und Susanna von einem adretten jungen Konstabler in Uniform in der Suite des Earls einem Kreuzverhör unterzogen. Der Earl of Eastonby lag in seinem Bett, wo seine schwere Kopfwunde vom rührigen Thomas Snively versorgt wurde, während Konstabler Jenkins beide Garrows zu den jüngsten Vorfällen im angesehenen Hotel Royal Arms befragte.
Mr. Jenkins hatte dafür gesorgt, dass Mr. Colin und Miss Durston unverzüglich inhaftiert wurden. Beide würden so lange in Untersuchungshaft ausharren müssen, bis die Staatsanwaltschaft entschieden hatte, ob sie einschreiten sollte.
Obwohl James im Großen und Ganzen mit seinen Vermutungen über den Drahtzieher der Mordanschläge richtig gelegen hatte, hatte Susanna doch noch ein paar Überraschungen für ihn bereit, wie er während des Verhörs feststellte. Zum einen umklammerte sie seine Hände, als hätte sie
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