Lord Garrows widerspenstige Braut
er ihr zum Abschied zu sagen hatte? "Mach dir nur keine Sorgen …" Wollte er ihr nicht einmal alles Gute für ihr zukünftiges Leben wünschen? Oder auf irgendeine Weise andeuten, dass er sie vermissen würde? Vielleicht sahen sie sich nie wieder … Doch da von seiner Seite nichts mehr kam, raffte Susanna wortlos ihre Röcke zusammen und stieg aus. Tränen schossen ihr in die Augen, mehr aus Enttäuschung als aus Liebe.
Der Schotte – sie musste daran denken, ihn in der Öffentlichkeit Garrow zu nennen – wartete schon und streckte seine Hand nach ihr aus. Sie nahm sie und tastete mit den Füßen nach der kleinen hölzernen Klapptreppe, die er für sie heruntergelassen hatte. Ihre Röcke wogten so weit, dass sie auch ohne Tränen weder die Treppe noch die Straße unter sich hätte sehen können.
"Susanna, meine Liebe, beeile dich bitte ein bisschen", drängte ihr Vater. "Verabschiede dich schnell von deinem Mann, damit wir aufbrechen können."
Von deinem Mann . Ihr Vater wollte, dass sie sich von ihrem Mann verabschiedete, damit er sie endlich los war! Plötzlich überkam Susanna ein unbändiges Verlangen, ihren Vater zu verletzen.
Abrupt wandte sie sich ihrem Bräutigam zu, griff mit einer Hand nach seinem steifen Kragen. Die andere Hand legte sie um seinen Nacken. Dann stellte sie sich auf die Zehenspitzen, zog ihn an sich und küsste ihn.
Sie presste ihre Lippen kräftig auf seine und ließ ihre Zunge in seinen Mund gleiten, so wie er selbst das in der Kirche gemacht hatte. Jawohl, das war es, ein wilder, leidenschaftlicher Kuss unter dem grellen Licht der Straßenlampe. Das war wirklich skandalös, viel anstößiger noch als ihre Reden in London! Ihr Vater würde toben!
Plötzlich schlossen sich die Arme des Schotten um sie. Susanna wurde hochgehoben. Ehe sie wusste, wie ihr geschah, hatte James die Führung übernommen. Er küsste sie mit einer verzehrenden Leidenschaft, die sie völlig benommen machte. Für einen Moment schien ihr Denken auszusetzen. Stürmisch erwiderte sie seinen Kuss.
Wieder und wieder küsste James sie und presste ihren Körper so fest an sich, dass Susannas Brüste unter dem Druck schmerzten. Die Stangen ihres Korsetts bohrten sich schmerzhaft in ihre Rippen. Fast unmerklich stieg ihr der Geruch von Heidekraut zu Kopf, der von James ausging. Susanna gab sich mit geschlossenen Augen seinem Kuss hin, leidenschaftlich, bedingungslos, ohne auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken, was sie tat. Es war berauschend, geküsst zu werden. Und noch nie hatte es sich so gut angefühlt, ohnmächtig zu werden, dachte sie, als kleine Funken vor ihren Augen stoben.
Dann löste sich James von ihr und setzte sie ab. Am liebsten hätte Susanna laut "Nein" gerufen. Sie hatte noch lange nicht genug von ihm. Sie umklammerte immer noch seinen Nacken, selbst als er sie schon wieder abgesetzt hatte. Erneut zog sie ihn zu sich herunter, presste sich an ihn und küsste ihn, diesmal sanfter.
Der Schmerz, den das Korsett unter dem kräftigen Druck seiner Hände auslöste, war alles, was sie davor zurückhielt, sich völlig in den euphorischen Glücksgefühlen zu verlieren, die das Küssen bei ihr auslöste. Daran, wie sich seine Finger in ihre Seite verkrampften, erkannte sie, dass sie ihn offenbar ebenso aufwühlte wie er sie. Plötzlich spürte sie, wie ein Gefühl von Macht in ihr aufstieg, das sie zu verzehren schien. Was für eine Offenbarung, welch neue Möglichkeiten taten sich da auf!
Abrupt schob sie ihn von sich. Als sie zu ihm aufsah, wirkte er überrascht. Langsam löste er seine Hände von ihr. Obwohl ihr Puls raste, versuchte Susanna, sich so ruhig wie möglich zu geben.
Triumphierend nickte sie ihrem Vater zum Abschied zu, der die Szene mit offenem Mund angesehen hatte. "Nun denn, ich wünsche dir eine gute Reise."
Ein letztes Mal sah sie zu ihrem Bräutigam hoch. Mit der Hand strich sie ihm den steifen Umlegekragen und das Halstuch glatt. "Und du, liebes Herz , darfst so weit nach Süden reiten, wie du möchtest. Auf Wiedersehen."
Beschwingt marschierte sie am Türsteher vorbei ins Hotel.
Gedankenverloren sah James dem Stallknecht zu, der mit einem langen Seil ein gesatteltes Pferd hinten an der Kutsche festband. Er war dankbar für die entstehende kleine Verzögerung. Vor der Abfahrt musste er sich erst noch von Susannas Kuss erholen. Das Verhalten seiner Frau war so wechselhaft und unergründlich wie das Wetter! Einmal war sie ganz kühl, im nächsten Moment wieder
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