Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes
nicht, daß ich an diesem Ort und zu dieser nächtlichen Stunde ein anderes Taxi finden würde. Er hat ein wenig herumgeknurrt, sich dann aber doch bereit erklärt zu warten, wenn ich ihm versprach, mich nicht zu lange aufzuhalten.
Dann habe ich mich zu dem Haus begeben. Zuerst dachte ich, es sei völlig dunkel, aber dann sah ich aus einem der Zimmer im Parterre einen schwachen Lichtschein schimmern. Ich läutete. Keine Antwort, obwohl ich es sehr laut hatte klingeln hören. Ich läutete noch einmal und klopfte. Immer noch keine Antwort. Es war bitterkalt. Ich zündete ein Streichholz an, um mich zu vergewissern, daß ich auch zum richtigen Haus gekommen war, und da sah ich dann, daß die Haustür nur angelehnt war.
Ich dachte, das Mädchen, das mich angerufen hatte, sei sicher so sehr mit der kranken gnädigen Frau beschäftigt, daß es nicht von ihr fortgehen konnte, um die Tür zu öffnen. Ich dachte, daß ich ihr in diesem Falle vielleicht behilflich sein könne, weshalb ich die Tür aufstieß und hineinging. Im Flur war es stockdunkel, und beim Eintreten stieß ich gegen den Schirmständer. Dann glaubte ich ein schwaches Rufen oder Stöhnen zu hören, und nachdem meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, tastete ich mich weiter, und dann sah ich unter einer Tür zur Linken ein schwaches Licht.«
»War es dasselbe Zimmer, das Sie von außen beleuchtet gesehen hatten?«
»Ich glaube, ja. Ich rief: ›Kann ich hereinkommen?‹ – und eine sehr leise, schwache Stimme antwortete: ›Ja, bitte!‹ Ich öffnete die Tür und trat in einen als Wohnzimmer möblierten Raum. In einer Ecke stand eine Couch, auf der anscheinend in aller Eile ein paar Leintücher ausgebreitet worden waren, um ein Bett daraus zu machen. Auf der Couch lag eine Frau. Sie war ganz allein.
Ich konnte sie nur ganz schwach erkennen. Das einzige Licht im Zimmer stammte von einer kleinen Öllampe mit grünem Schirm, der so geneigt war, daß der Kranken das Licht nicht in die Augen schien. Im Kamin glomm ein ziemlich heruntergebranntes Feuer. Ich sah jedoch, daß die Frau ihren Kopf und das Gesicht mit dicken weißen Verbänden umwickelt hatte. Ich streckte gerade die Hand nach dem elektrischen Schalter aus, da rief sie: ›Bitte kein Licht – es tut mir weh?‹«
»Wie konnte sie sehen, daß Sie nach dem Lichtschalter faßten?«
»Also«, sagte Mr. Trigg, »das war eine ganz komische Sache. Sie rief eigentlich erst, nachdem ich den Schalter schon gedrückt hatte, aber es passierte nichts. Das Licht ging gar nicht an.«
»Ach nein!«
»Wirklich. Ich dachte mir, man hat vielleicht die Birne herausgenommen, oder sie ist durchgebrannt. Ich sagte aber nichts, sondern trat ans Bett. Sie fragte fast im Flüsterton: ›Sind Sie der Rechtsanwalt?‹
Ich bejahte und fragte sie, was ich für sie tun könne.
Sie sagte: ›Ich habe einen furchtbaren Unfall gehabt. Ich muß sterben. Jetzt will ich noch schnell mein Testament machen.‹ Ich fragte, ob niemand bei ihr sei. ›Doch, doch‹, antwortete sie eilig, ›mein Mädchen muß jeden Augenblick wiederkommen. Sie ist einen Arzt suchen gegangen.‹ ›Aber‹, sagte ich, ›hätte sie ihn denn nicht anrufen können? In diesem Zustand darf man Sie doch nicht allein lassen.‹ Darauf antwortete sie: ›Wir haben keinen erreichen können, aber es geht schon so. Sie wird bald zurück sein. Verlieren wir keine Zeit. Ich muß mein Testament machen.‹ Sie sprach mit entsetzlich keuchender Stimme, und ich dachte mir, das beste wird sein, ich tue, was sie will, damit sie sich nicht aufregt. Ich zog mir also einen Stuhl zum Tisch, wo die Lampe war, nahm meinen Füllfederhalter und einen Testamentsvordruck, den ich mir eingesteckt hatte, und sagte, ich sei bereit, ihre Instruktionen entgegenzunehmen.
Bevor wir anfingen, bat sie mich, ihr einen kleinen Kognak mit Wasser aus einer Karaffe zu geben, die auf dem Tisch stand. Ich tat es, und sie trank einen kleinen Schluck, der sie zu beleben schien. Ich stellte das Glas nah bei ihrer Hand ab und schenkte mir auf ihre Aufforderung hin selbst ein Glas ein. Ich war sehr dankbar dafür, denn es war, wie gesagt, eine scheußliche Nacht, und im Zimmer war’s kalt. Ich sah mich nach Kohlen um, die ich noch aufs Feuer hätte legen können, fand aber keine.«
»Das ist äußerst interessant und aufschlußreich«, sagte Parker.
»Damals habe ich es nur sonderbar gefunden. Aber sonderbar war schließlich die ganze Geschichte. Jedenfalls sagte ich dann, wir
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