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Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes

Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes

Titel: Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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könnten von mir aus anfangen. Sie sagte: ›Sie glauben vielleicht, ich sei ein wenig verrückt, weil ich eine so schwere Kopfverletzung habe. Aber ich bin völlig bei klarem Verstand. Und er soll von dem Geld keinen Penny bekommen.‹ Ich fragte, ob jemand sie angegriffen habe. ›Ja, mein Mann‹, antwortete sie. ›Er denkt, er hat mich umgebracht, aber ich lebe noch lange genug, um das Geld an andere zu vererben.‹ Sie sagte, ihr Name sei Marion Mead, und dann diktierte sie mir ihren Letzten Willen. Ihr Vermögen, das sich auf etwa zehntausend Pfund belief, vermachte sie verschiedenen Leuten, darunter einer Tochter und drei oder vier Schwestern. Es war ein ziemlich kompliziertes Testament, denn es mußten Vorkehrungen getroffen werden, um das Geld der Tochter treuhänderisch so festzulegen, daß sie ihrem Vater nichts davon abgeben konnte.«
    »Haben Sie sich die Namen und Adressen der Beteiligten notiert?«
    »Das habe ich, aber wie Sie später sehen werden, konnte ich nichts damit anfangen. Die Erblasserin war offenbar klar genug bei Verstand, um zu wissen, was sie wollte, obwohl sie sehr schwach wirkte und nie mehr lauter als im Flüsterton sprach, nachdem sie mir beim Eintreten zugerufen hatte, ich solle kein Licht machen.
    Schließlich hatte ich alle Notizen für das Testament beisammen und machte mich daran, sie in die richtige Form zu bringen. Von einem zurückkehrenden Mädchen war nichts zu merken, und mir wurde allmählich richtig bange. Außerdem wurde ich durch die bittere Kälte – oder etwas anderes, und die Zeit, zu der ich normalerweise ins Bett gehe, war ja auch längst überschritten – mit einemmal entsetzlich müde. Ich goß mir noch einen kräftigen Schluck von dem Kognak ein, um mich zu wärmen, und schrieb weiter an dem Testament. Als ich fertig war, sagte ich: ›Wie steht es nun mit der Unterschrift? Wir brauchen einen zweiten Zeugen, damit das Testament rechtskräftig wird.‹
    Sie sagte: ›Mein Mädchen muß jeden Augenblick zurück sein. Ich kann mir gar nicht vorstellen, was ihr nur dazwischengekommen ist.‹
    ›Vielleicht hat sie sich im Nebel verlaufen‹, sagte ich. ›Jedenfalls warte ich noch ein wenig. Ich kann ja nicht einfach fortgehen und Sie hier allein lassen.‹
    Sie dankte mir mit schwacher Stimme, und wir saßen eine Weile stumm beieinander. Die Zeit verging, und mir wurde die Lage immer weniger geheuer. Die Kranke atmete schwer und stöhnte hin und wieder auf. Mein Schlafbedürfnis übermannte mich mehr und mehr. Ich verstand das gar nicht.
    Mit einemmal fiel mir trotz meiner Benommenheit ein, daß es doch das Vernünftigste sei, den Taxifahrer – falls er noch da war – hereinzubitten, um das Testament zusammen mit mir zu bezeugen, und dann selbst auf die Suche nach einem Arzt zu gehen. Da saß ich nun, der Gedanke kreiste in meinem schläfrigen Kopf, und ich versuchte die Energie zum Sprechen aufzubringen. Mir war, als lastete ein schweres Gewicht auf mir. Jede Form von körperlicher Anstrengung schien über meine Kräfte zu gehen.
    Da geschah plötzlich etwas, was mich wieder zu mir brachte. Mrs. Mead drehte sich auf ihrer Couch ein wenig herum und schien mich im Schein der Lampe aufmerksam zu betrachten. Dabei stützte sie sich mit beiden Händen auf die Tischkante. Mit dem dumpfen Gefühl, etwas Unerwartetem zu begegnen, sah ich, daß sie keinen Ehering trug. Und dann sah ich noch etwas anderes.
    Quer über die Fingerrücken ihrer rechten Hand verlief eine sonderbare Narbe – als ob sie mit irgendeinem scharfen Gegenstand ausgeglitten wäre und sich dabei verletzt hätte.«
    Parker richtete sich mit einem Ruck auf seinem Stuhl auf.
    »Ja«, sagte Mr. Trigg, »das interessiert Sie. Mich hat es erschreckt. Erschreckt ist dabei nicht einmal der richtige Ausdruck. In meinem beklagenswerten Zustand erlebte ich das Ganze mehr wie einen Alptraum. Ich richtete mich mühsam auf meinem Stuhl wieder auf, und die Frau ließ sich ins Kissen zurückfallen.
    In diesem Augenblick läutete es an der Tür Sturm.« »Das Mädchen?«
    »Nein – Gott sei Dank, es war mein Taxifahrer, dem das Warten zu lang geworden war. Ich dachte – ich weiß gar nicht genau, was ich gedacht habe, jedenfalls war mir angst. Ich muß irgendwie geschrien oder gestöhnt haben, und der Mann kam geradewegs herein. Zum Glück hatte ich die Tür offengelassen, wie ich sie vorgefunden hatte.
    Ich riß mich so weit zusammen, daß ich ihn bitten konnte, das Testament als Zeuge zu unterschreiben. Ich

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