Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes
hinterher zu erpressen. Eine andere Erklärung konnte ich für das Schlafmittel nicht finden. Jedenfalls hielt ich Vorsicht für den besseren Teil der Tapferkeit und habe meine Angestellten und die Haushälterin angewiesen, falls Miss Grant je wieder anrufen sollte, sei ich außer Haus und würde auch so bald nicht zurückerwartet.«
»Hm. Meinen Sie, sie hat gemerkt, daß Sie die Narbe an ihrer Hand wiedererkannten?«
»Das glaube ich sicher nicht. Sonst wäre sie wohl kaum unter ihrem richtigen Namen wieder an mich herangetreten.«
»Da haben Sie wahrscheinlich recht. Also, Mr. Trigg, ich bin Ihnen für diese Informationen sehr dankbar; sie könnten sich einmal als ungeheuer wertvoll entpuppen. Und sollte Miss Grant Sie je wieder anrufen – von wo hat sie übrigens angerufen?«
»Jedesmal aus einer öffentlichen Fernsprechzelle. Das weiß ich, weil die Vermittlung einem immer sagt, wenn jemand aus einer Zelle anruft. Ich habe die Anrufe nicht zurückverfolgen lassen.«
»Natürlich nicht. Also, wenn sie wieder anrufen sollte, würden Sie dann bitte einen Termin mit ihr vereinbaren und mich sofort verständigen? Wenn Sie bei Scotland Yard anrufen, erreichen Sie mich immer.«
Mr. Trigg versprach, dies zu tun, und Parker verabschiedete sich.
Nun wissen wir also, dachte er auf dem Heimweg, daß jemand – und zwar ein recht skrupelloser Jemand – sich 1925 in Sachen Großnichten erkundigt hat. Ich glaube, ein Wort an Miss Climpson wäre angezeigt – nur um festzustellen, ob Mary Whittaker eine Narbe an der rechten Hand hat oder ob ich noch mehr Rechtsanwälten meine Aufwartung machen muß.
Die heißen Straßen erschienen ihm nicht mehr so bedrückend und glühend wie vorher. Das Gespräch mit dem Anwalt hatte Parkers Laune sogar so gehoben, daß er dem nächsten Straßenbengel, der ihn anhaute, ein Zigarettenbildchen spendierte.
III
DAS MEDIZINISCH-RECHTLICHE PROBLEM
Und keine Tat,
Die nicht der Taten mehr gebiert,
Wenn sie erst ruchbar wird.
E. B. BROWNING: AURORA LEIGH
19
Auf und davon
Nichts ist schlecht oder gut, außer dem Willen.
EPIKTET
»Du wirst doch gewiß nicht abstreiten wollen«, bemerkte Lord Peter, »daß denen, die über die letzten Tage der Agatha Dawson vielleicht Auskunft geben könnten, recht merkwürdige Dinge zustoßen. Bertha Gotobed stirbt plötzlich und unter verdächtigen Umständen; ihre Schwester meint, am Hafen von Liverpool habe Miss Whittaker ihr aufgelauert; Mr. Trigg wird in ein geheimnisvolles Haus gelockt und betäubt. Ich frage mich, was Mr. Probyn wohl zugestoßen wäre, wenn er die Unvorsichtigkeit begangen hätte, in England zu bleiben.«
»Ich streite ja gar nichts ab«, antwortete Parker. »Ich möchte dich nur darauf hinweisen, daß der Gegenstand deines Verdachts sich während des ganzen Monats, in dem die Familie Gotobed von diesen Katastrophen heimgesucht wurde, mit Miss Vera Findlater, die ihr nie von der Seite wich, in Kent aufgehalten hat.«
»Da liegt zweifellos der Haken«, entgegnete Wimsey.
»Dem wieder möchte ich einen Brief von Miss Climpson entgegenhalten, in dem sie uns – zwischen ellenlangem Geschwätz, mit dem ich dich nicht belästigen will – davon in Kenntnis setzt, daß Miss Whittaker an der rechten Hand eine Narbe hat, auf die Mr. Triggs Beschreibung haargenau paßt.«
»So? Dann wäre Miss Whittaker ja mit ziemlicher Sicherheit in die Geschichte mit Trigg verwickelt. Aber gehst du wirklich davon aus, daß sie alle Leute aus dem Weg zu räumen versucht, die irgend etwas über Miss Dawson wissen? Ziemlich happig für eine Frau allein, findest du nicht? Und wenn es so ist, warum ist dann Dr. Carr verschont geblieben? Und Schwester Philliter? Und Schwester Forbes? Und der andere Medizinmann? Und die übrige Einwohnerschaft Leahamptons, wenn wir gerade dabei sind?«
»Ein interessanter Punkt, an den ich auch schon gedacht habe. Aber ich glaube den Grund zu kennen. Bis jetzt stellt uns der Fall Dawson vor zwei schwierige Probleme – ein juristisches und ein medizinisches, oder das Motiv und die Mittel, wenn dir das lieber ist. Was die Gelegenheit betrifft, kommen nur zwei Menschen in Frage – Miss Whittaker und Schwester Forbes. Die Forbes hatte durch die Ermordung einer guten Patientin nichts zu gewinnen, folglich können wir sie vorerst noch ausklammern.
Nehmen wir uns also jetzt einmal das medizinische Problem vor – die Mittel. Ich muß zugeben, daß mir diese Frage im Augenblick unlösbar erscheint. Ich stehe vor einem
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