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Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes

Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes

Titel: Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Unterhaltung in Gang zu bringen, habe ich sie gefragt, ob sie sich in der Erbschaftsangelegenheit noch weiter habe beraten lassen. Sie verneinte und sagte, sie sei mit meiner Auskunft völlig zufrieden gewesen. Ich erkundigte mich weiter, ob die Großtante nun doch noch ein Testament gemacht habe. Sie antwortete kurz angebunden, das habe sich erübrigt, denn die alte Dame sei gestorben. Da ich sah, daß sie in Schwarz war, fühlte ich mich in meiner Ansicht bestätigt, daß es sich bei der betroffenen Großnichte um sie selbst gehandelt haben mußte.
    Wir haben uns dann noch eine Weile unterhalten, Inspektor, und ich will Ihnen nicht verhehlen, daß Miss Grant mich als Persönlichkeit zu interessieren begann. Sie hatte fast die Auffassungsgabe eines Mannes. Ich darf sagen, daß ich nicht zu den Männern gehöre, die hirnlose Frauen bevorzugen. Nein, in dieser Beziehung bin ich eher modern eingestellt. Wenn ich jemals eine Frau nehmen sollte, Inspektor, würde ich mir schon eine intelligente Gefährtin wünschen.«
    Parker versicherte Mr. Trigg, daß diese Einstellung ihm zur Ehre gereiche. Im stillen merkte er an, daß Mr. Trigg wohl nichts dagegen haben würde, eine junge Frau zu heiraten, die soeben eine Erbschaft gemacht und keine Verwandten am Hals hatte.
    »Eine Frau mit juristischem Verständnis findet man selten«, fuhr Mr. Trigg fort. »Miss Grant war in dieser Beziehung ungewöhnlich. Sie verfolgte mit großem Interesse irgendeinen Fall, der damals durch die Presse ging – ich weiß im Moment nicht mehr, worum es sich handelte –, und stellte mir einige erstaunlich verständige und kluge Fragen. Ich muß sagen, daß ich unsere Unterhaltung sehr genossen habe. Im Verlaufe des Essens kamen wir dann auch auf persönlichere Themen, und ich bemerkte am Rande, daß ich in Golder’s Green wohnte.«
    »Hat sie Ihnen ebenfalls ihre Adresse gegeben?«
    »Sie sagte, sie wohne im Peveril-Hotel in Bloomsbury und suche ein Haus in der Stadt. Ich sagte ihr, ich würde möglicherweise demnächst Genaueres über ein Projekt in Richtung Hampstead erfahren, und bot ihr meine juristischen Dienste an, falls sie welche brauche. Nach dem Essen habe ich sie dann zu ihrem Hotel begleitet und mich in der Halle von ihr verabschiedet.«
    »Sie wohnte also wirklich dort?«
    »Offenbar ja. Aber vierzehn Tage später hörte ich zufällig von einem Haus in Golder’s Green, das plötzlich frei geworden sei. Das heißt, es gehörte einem Klienten von mir. Meinem Versprechen gemäß schrieb ich an Miss Grant im Peveril. Als ich keine Antwort bekam, erkundigte ich mich dort nach ihr und erfuhr, daß sie am Tage nach unserer Begegnung abgereist sei, ohne eine Adresse zu hinterlassen. Im Gästebuch hatte sie nur ›Manchester‹ als Adresse angegeben. Ich war gewissermaßen enttäuscht, aber dann habe ich nicht mehr an die Sache gedacht.
    Etwa einen Monat später – genauer gesagt am sechsundzwanzigsten Januar – saß ich gerade zu Hause und las in einem Buch, sozusagen als Abschluß vor dem Zubettgehen. Ich sollte noch sagen, daß ich eine Wohnung oder, besser gesagt, eine Maisonette in einem kleinen Haus bewohne, das so aufgeteilt wurde, daß zwei Wohnungen dabei herauskamen. Die Leute im Parterre waren um diese Zeit verreist, so daß ich mich ganz allein im Haus befand. Meine Haushälterin kommt nur tagsüber. Da klingelte das Telefon – ich habe mir die Zeit notiert. Es war Viertel vor elf. Als ich abhob, meldete sich eine Frauenstimme und bat mich inständig, zu einer bestimmten Adresse in Hampstead Heath zu kommen, um für eine Sterbende ein Testament aufzusetzen.«
    »Haben Sie die Stimme erkannt?«
    »Nein. Sie klang wie die Stimme eines Hausmädchens. Jedenfalls hatte sie einen starken Londoner Akzent. Ich fragte, ob nicht Zeit bis morgen sei, aber die Stimme flehte mich an, ich solle mich beeilen, sonst könnte es zu spät sein. Ziemlich verstimmt habe ich mir also etwas übergezogen und mich auf den Weg gemacht. Es war eine unangenehme Nacht, so kalt und neblig. Ich konnte von Glück reden, daß ich am nächsten Standplatz ein Taxi fand. Wir fuhren zu der angegebenen Adresse, die wir nur unter Schwierigkeiten fanden, denn die Nacht war pechschwarz. Wie sich zeigte, handelte es sich um ein ziemlich kleines Haus auf dem Heath, sehr abgelegen – es gab nicht einmal eine richtige Zufahrt dahin. Ich habe das Taxi ein paar hundert Meter entfernt an der Straße verlassen und den Fahrer gebeten, auf mich zu warten, denn ich glaubte

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