Lord Stonevilles Geheimnis
glauben, dass Seine Lordschaft etwas mit dem tragischen Tod seiner Eltern zu tun hat!«, sagte Maria in diesem Moment zu Mr Pinter.
Ihr scharfer Ton ließ Oliver aufhorchen. Zog sie die Gerüchte etwa tatsächlich in Zweifel?
»Denn wenn Sie es glauben, dann stützen Sie Ihre Meinung offensichtlich nur auf Klatsch«, fuhr sie erregt fort. »Und wenn das der Fall ist, bin ich mir nicht sicher, ob ich Sie beauftragen möchte!«
Oliver hatte plötzlich einen Kloß im Hals. Sie stand auf seiner Seite, nicht auf der Seite der Klatschmäuler. Wie war das möglich? Lediglich seine wenigen Freunde hatten bislang zu ihm gehalten, und das nur, weil sie ihn schon lange vor jenem schrecklichen Abend auf Halstead Hall gekannt hatten.
»Für mich zählen nur Tatsachen, Miss Butterfield«, entgegnete Pinter mit Nachdruck. »Ich habe Ihnen nichts als die Wahrheit gesagt.«
Das war richtig, wie ungern Oliver es auch zugab. Er hatte in der Tat ein zügelloses Leben geführt und Halstead Hall vor die Hunde gehen lassen. Und es hatte tatsächlich Spekulationen über seine Anwesenheit am Ort des Geschehens gegeben. Im Grunde waren es auch nicht die Tatsachen, die ihn beunruhigten. Was ihm zu schaffen machte, war vielmehr, dass Pinter ihr unbedingt davon hatte erzählen müssen.
»Mag sein«, erwiderte Maria, »aber wenn Ihre Schlussfolgerungen auf so wenigen Tatsachen beruhen, wie kann ich dann darauf vertrauen, dass Sie Ihre Arbeit ordentlich machen?«
»Es reicht, Maria«, schaltete sich Oliver ein.
Er konnte Pinter zwar nicht leiden, und es passte ihm nicht, dass er Maria gegen ihn aufbringen wollte, aber er konnte ihn verstehen. Außerdem galt Pinter allgemein als erstklassiger Ermittler. Er musste also Maria zuliebe praktisch denken und seine Abneigung gegen den Mann außen vor lassen.
Außerdem kannten wahrscheinlich auch alle anderen Ermittler die Gerüchte. Sie sprachen vielleicht nur nicht so unumwunden darüber. Pinter hätte abwiegeln und behaupten können, Oliver habe ihn falsch verstanden, aber zu solchen Mätzchen hatte er sich nicht herabgelassen. Und Oliver war ein Mann mit Rückgrat in jedem Fall lieber als ein Kriecher.
»Als ein wahrer Gentleman«, fuhr er fort, »möchte Mr Pinter natürlich eine hilflose junge Dame vor einem berüchtigten Lebemann und angeblichen Mörder erretten. Das ist kein Grund, ihn nicht zu beauftragen. Es bedeutet vielmehr, dass er wahrscheinlich viel gründlicher nach Mr Hyatt suchen wird als jeder andere.« Er sah den Ermittler an. »Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie den Fall übernehmen?«
»Allerdings, mein Herr, ich übernehme ihn.« Er sah Oliver fest in die Augen. »Aber Ihr Geld will ich nicht. Wenn ich Mr Hyatt finde, soll er mich bezahlen. Wenn ich ihn nicht finde, verlange ich kein Honorar. Es ist mir lieber, wenn Miss Butterfield meinetwegen nicht in Ihrer Schuld steht.«
»Sie verstehen nicht …«, begann Maria.
»Unsinn! Soll er doch den Helden spielen«, sagte Oliver rasch, um zu verhindern, dass Maria ihre Vereinbarung näher erläuterte. Er musste sie schleunigst aus diesem Büro schaffen. Sie hatte es geschafft, Pinters Beschützerinstinkt zu wecken. Nicht auszudenken, wie er reagieren würde, wenn er von Olivers Plan bezüglich seiner Großmutter und Marias Rolle dabei erfuhr!
Er bot Maria seinen Arm. »Komm, Liebling, wir haben noch Einkäufe zu erledigen. Und Mr Pinter wird seine Ermittlungen sicherlich sofort aufnehmen wollen.«
Pinter war sichtlich empört über den kaum verhohlenen Befehl, nickte aber nur zustimmend. »Guten Tag, mein Herr.« Als er Maria ansah, wurde sein Blick freundlicher. »Ich werde Ihnen Bericht erstatten, sobald ich etwas erfahre, Miss Butterfield. Und wenn Sie irgendetwas brauchen …«
»Danke«, entgegnete sie abweisend. »Ich bin sicher, mir wird es an nichts fehlen. Sie finden mich auf Halstead Hall. Ich bin bei der Familie seiner Lordschaft zu Gast.«
Gott allein wusste, wie Pinter das nun wieder deuten würde.
Sie ging mit Oliver zur Tür, doch bevor sie das Büro verließen, blieb er noch einmal stehen, weil er sich einen letzten Kommentar nicht verkneifen konnte.
»Ihnen ist doch bewusst, Mr Pinter, dass Miss Butterfield in Ihrer Schuld steht, wenn Sie auf Ihr Honorar verzichten. Was wiederum die Frage aufwirft, welchen Preis sie letztendlich für Ihre Hilfe bezahlen wird.« Damit führte er Maria hinaus. »Kleinkarierter Tugendbold!«, fluchte er leise
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