Lord Stonevilles Geheimnis
dass Hyatt vielleicht gar nicht gefunden werden will?«
Sie schluckte und schaute aus dem Fenster zu den dunklen Wolken am Himmel. »Ja.«
»Und wenn es tatsächlich so sein sollte? Was wollen Sie dann tun?«
»Ich weiß es nicht.« Sie sah ihn an. »Warum fragen Sie? Wollen Sie mich in dem Fall heiraten?« Als Oliver erstarrte, fügte sie hastig hinzu: »Ich scherze doch nur, Sie Narr! Merken Sie es denn nicht, wenn eine Frau Sie aufziehen will?«
Nein. Frauen scherzten in der Regel nicht mit ihm über die Ehe. Schlimmer war jedoch, dass die Vorstellung, sie zu heiraten, nicht so abstoßend für ihn war, wie sie es eigentlich hätte sein müssen. Allein der Gedanke, sie in seinem Bett zu haben und in den langen Nächten mit ihr reden zu können, wenn es ihm nicht gelang, die Erinnerungen zu verdrängen …
»Schade, dass Sie so entsetzlich jungfräulich sind«, witzelte er, damit sie nicht merkte, wie sehr sie ihn durcheinandergebracht hatte. »Sonst würde ich Ihnen einen Vorschlag der unredlicheren Art machen.«
Ein neckisches Lächeln spielte um ihre Lippen. »Oh? Sie würden sich doch nicht etwa an mir vergehen wollen?«
Plötzlich knisterte die Luft vor Spannung, und ihm verging die Lust zu scherzen. »Nein, das nicht.« Er wartete, bis sie ihm in die Augen sah. »Aber ich würde Sie fragen, ob Sie meine Mätresse sein wollen.«
12
Maria stockte vor Überraschung der Atem. War das sein Ernst? Bei Oliver war sie sich nie sicher. Manche Dinge sagte er nur, um sie zu schockieren. Am Tag zuvor war es ihm auch gelungen, aber wie sie inzwischen begriffen hatte, tat er das, um die Menschen auf Abstand zu halten und zu verhindern, dass sie ihn zuerst ablehnten. Wenn er große Sprüche klopfte und sich als Scheusal darstellte, bevor ihn andere einen Schurken nennen konnten, hatte er in seinen Augen gewonnen.
Ganz ähnlich war ihr Vater immer mit seiner unehelichen Geburt umgegangen. Er hatte nie ein Geheimnis daraus gemacht. Er präsentierte seinen Stammbaum jedem, der danach fragte, so als legte er es darauf an, dass die Leute auf ihn herabsahen. Wie sonderbar, dass sich die beiden Männer in dieser Hinsicht glichen.
Der Unterschied war nur, dass Papa immer mit einer gewissen Aggressivität vorgegangen war, während Oliver sich eher gleichgültig bis gelangweilt gab.
Diesmal allerdings nicht. Er schien selbst von seinen Worten überrascht zu sein. Doch er fing sich rasch, und als er sie ansah, entfachte sein glühender Blick eine ungeheure Hitze in ihrem Inneren. In diesem Moment wurde ihr plötzlich bewusst, dass sie ganz allein waren.
»Tja, aber da ich tatsächlich so entsetzlich jungfräulich bin«, sagte sie und bemühte sich um einen heiteren Ton, »ist es müßig, sich Gedanken darüber zu machen.«
»Sagen wir, Sie wären es nicht«, fuhr er unbeirrt mit rauer Stimme fort. »Nur in der Theorie. Sie könnten hierbleiben, unter meinem Schutz, bis wir einander überdrüssig werden, und dann erst nach Amerika zurückkehren. Niemand muss wissen, wie Sie Ihren Aufenthalt in England verbracht haben. Rein hypothetisch natürlich.«
Tief in ihrem Bauch regte sich etwas, als ihr bewusst wurde, dass er ihr möglicherweise tatsächlich einen unsittlichen Antrag machte. Das hatte noch nie ein Mann getan, vor allem keiner, der so unverschämt attraktiv war. Wie schaffte er es nur jedes Mal, eine Beleidigung derart schmeichelhaft klingen zu lassen?
Vorsicht, Maria, dachte sie, er ist nicht ohne Grund zu seinem Ruf gekommen! »Sie kennen mich erst seit einem Tag – rein hypothetisch würde ich sagen, dass Sie bestimmt etwas länger brauchen, um eine Mätresse auszuwählen.«
»Ich wollte Sie vom ersten Augenblick an.«
In seinem Blick lag ein derart unverhohlenes Verlangen, dass ihr sofort klar war, dass dieses Gespräch nichts, aber auch gar nichts Hypothetisches hatte. Um sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr sie seine Worte aus dem Gleichgewicht gebracht hatten, entgegnete sie scherzhaft: »Und was wäre ich dann? Die Fünfzehnte in Ihrer Mätressensammlung?«
Es schien, als ob er ebenso stockend atmete wie sie. »Eigentlich die Erste.« Seine tiefe Stimme versetzte ihren ganzen Körper in Schwingungen. »Ich hatte noch nie eine Mätresse.«
Sie lachte auf. »Als würde ich Ihnen das glauben!«
»Es ist wahr. Weniger dauerhafte Verbindungen mit Frauen habe ich bislang immer bevorzugt.«
Obwohl es sie eigentlich
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