Lord Stonevilles Geheimnis
denken? Er hat Sie mir nämlich empfohlen.«
Das gab Mr Pinter zu denken. »Seine Lordschaft hat Sie zu mir geschickt?«
»Er versicherte mir, ich könne mich auf Ihre Diskretion verlassen, falls ich die Hilfe eines Ermittlers bräuchte. Stimmt das?«
»Es hängt davon ab, wobei Sie Hilfe brauchen.«
»Es geht um eine Angelegenheit, die mich betrifft, nicht Lord Stoneville«, erklärte Maria. Aus irgendeinem Grund schien Mr Pinter nicht gerade erpicht darauf zu sein, sich mit Oliver abzugeben. Vielleicht war er eher bereit, einer Frau zu helfen, die weder Rang noch Namen hatte.
»Verzeihen Sie mir, dass ich Ihnen meine Verlobte nicht gleich vorgestellt habe, Mr Pinter«, sagte Oliver. »Das ist Miss Maria Butterfield.«
»Sie sind verlobt?«, fragte ihn Mr Pinter überrascht.
»Die beiden sind eigentlich nicht richtig verlobt«, warf Freddy ein. »Wissen Sie, Lord Stonevilles Großmutter …«
»Kommen Sie, junger Mann«, sagte Oliver mit schneidender Stimme, packte Freddy am Arm und führte ihn zur Tür. »Lassen wir Ihre Base und Mr Pinter allein, damit sie sich in Ruhe besprechen können.«
An der Tür nahm er Freddy den Säbel aus der Hand. Dann wendete er sich noch einmal Mr Pinter zu. »Tun Sie, was immer Miss Butterfield wünscht. Ich werde Sie gut für Ihre Dienste bezahlen.«
»Es geht das Gerücht um, mein Herr, dass Sie bis zum Hals in Schulden stecken. Sind Sie sicher, dass Sie sich meine Dienste leisten können?«
Maria schnappte nach Luft. Jeder andere Mann wäre beleidigt gewesen und hätte den unfreundlichen Kerl vielleicht sogar zurechtgewiesen. Oliver jedoch zeigte keinerlei Anzeichen der Empörung. Er kniff lediglich die Augen zusammen. »Wie Sie bereits erwähnten, habe ich meine Junggesellenbude in Acton verkauft. Ich bin sicher, ich habe noch ein paar Pfund herumliegen.«
»Es wird Sie mehr als ein paar Pfund kosten. Wenn ich den Fall übernehme.«
»Das werden Sie«, entgegnete Oliver und grinste verschmitzt. »Maria kann sehr überzeugend sein.« Er hängte den Säbel, den er Freddy abgenommen hatte, wieder an die Hutablage, dann sagte er mit einem Augenzwinkern in Marias Richtung: »An Ihrer Stelle würde ich sämtliche Waffen von ihr fernhalten.«
Maria errötete prompt, und er verließ mit Freddy das Büro. Mr Pinter ging zur Tür, rief seinen Gehilfen und ließ ihn die Glasscherben zusammenkehren. Diese Gelegenheit nutzte Maria, um sich den Ermittler genauer anzusehen.
Seinem Aussehen nach schien er um die dreißig zu sein, jünger, als sie erwartet hatte. Er war groß und schlaksig und trug einen eng anliegenden Mantel und eine gerade geschnittene schwarze Hose aus Serge, dazu eine schlichte graue Weste, ein weißes Leinenhemd und eine einfach gebundene Leinenschleife. Seine kantigen Züge und die buschigen schwarzen Augenbrauen verliehen ihm etwas Raubvogelhaftes. Manche Frauen würden ihn vielleicht sogar gut aussehend nennen … wenn sie sich nicht an seiner ausdruckslosen Miene störten, die Maria nicht ganz geheuer war.
Als der Gehilfe seine Aufgabe erledigt hatte und davoneilte, winkte Mr Pinter sie zu dem Stuhl vor seinem Schreibtisch. Nachdem sie beide Platz genommen hatten, lehnte er sich zurück und legte die Fingerspitzen aneinander. »Sie sind also die Verlobte seiner Lordschaft?«
Mr Pinter hatte schiefergraue Augen und musterte sie rasch, aber eingehend mit dem geübten, scharfen Blick eines Detektivs. Gott sei Dank trug sie ihre Redingote. Was hätte er wohl gedacht, wenn er ihr Kleid gesehen hätte?
»Eigentlich ist es ein bisschen komplizierter.« Auf der Fahrt in die Stadt hatten sie und Oliver abgesprochen, was sie Mr Pinter sagen wollten. Obwohl er nach Nathan suchen sollte, hatten sie beschlossen, ihre Maskerade auch vor ihm aufrechtzuerhalten. Freddy hatte offensichtlich nicht zugehört. Aber das tat er ja so gut wie nie.
Es dauerte ein Weilchen, bis sie die komplizierten Bedingungen im Testament ihres Vaters erklärt hatte. Als sie fertig war, verriet Mr Pinters Miene ihr zu ihrem größten Missfallen nicht im Geringsten, was er dachte.
»Sie sehen also«, sagte sie, »dass meine Zukunft in der Schwebe ist, bis Mr Hyatt gefunden wird.«
»Und welche Rolle spielt der Marquess bei der ganzen Sache?«
Nun kam der schwierige Teil. »Wir haben uns kennengelernt, während ich nach Nathan suchte. Eins führte zum anderen, und schließlich haben wir uns verlobt.« Das entsprach mehr oder
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