Lord Stonevilles Geheimnis
vergangenen Nacht hatte er kaum schlafen können, weil er davon geträumt hatte, sie in seinem Bett zu haben und es zu genießen, wie sie mit ihren zärtlichen Küssen, ihren leisen Seufzern und ihrem strahlenden Lächeln die Dunkelheit vertrieb.
Ach, was wäre es für eine Freude, sich ihrem warmen Körper hinzugeben, sie in den verwilderten Gärten von Halstead Hall niederzulegen und sie zu lieben, als wäre sie eine Waldnymphe und er ein griechischer Gott. Vielleicht würde das endlich den Fluch bannen, der auf dem Gut lastete.
Er biss die Zähne zusammen. Vermutlich würde sie nicht zulassen, dass er ihr beiwohnte, aber selbst wenn, dann würde sie sich bloß dazu berufen fühlen, seine Geheimnisse ans Licht zu bringen wie ein Kind, das die Korinthen aus einem Plumpudding herauspickte. Und wenn sie sie vor sich liegen hatte und sah, wie schwarz sie waren, würde sie ihn wegstoßen. Sie würde ihn entblößt, wie er dann war, verlassen. Und schließlich wäre er wieder ganz allein.
Warum um alles in der Welt kümmerte es ihn, ob sie ihn verließ? Der Teufel sollte sie holen, weil sie ihn mit ihrer unschuldigen Art in Versuchung führte. Und ihn selbst auch, weil er der Versuchung erlag.
Er knöpfte seinen Umhang auf, denn mit einem Mal war ihm sehr warm in der Kutsche, obwohl er weder Mantel noch Handschuhe trug. »Wir holen Freddy ab, wenn wir mit den Einkäufen fertig sind. Im Club kann er nicht viel Schaden anrichten …«
»Glauben Sie das wirklich? Freddy ist der geschwätzigste Mann auf Gottes Erden. Inzwischen hat er die Geschichte unserer vorgeblichen Verlobung bestimmt schon sämtlichen Mitgliedern Ihres Clubs erzählt.«
»Dagegen habe ich Vorkehrungen getroffen. Ich habe ihm gesagt, er könne sich beim Koch bestellen, was er wolle, solange er Stillschweigen über unsere Vereinbarung bewahre. Wenn er den Mund voll Beefsteak hat, kann er schließlich nicht mehr viel sagen.«
»Wenn Sie sich da nicht täuschen! Freddy hat ein Talent für Katastrophen.« Sie sah ihn verschmitzt an. »Ihnen ist doch klar, dass es Sie ein Vermögen kosten könnte, ihn mit Essen zu bestechen.«
»Was kümmert mich das? Ich spare ja schon das Geld für Pinters Honorar.«
Als sich ihre Miene trübte, verfluchte er sein loses Mundwerk. An Pinter hatte er sie nun wirklich nicht erinnern wollen.
»Eigentlich müssen Sie sich wegen Freddy sowieso keine Gedanken machen«, sagte sie leise. »Wegen einer Äußerung von mir ist Mr Pinter darauf gekommen, dass unsere Verlobung ein Täuschungsmanöver ist. Es tut mir leid.«
Das hatte Oliver bereits aus Pinters Verhalten geschlossen. »Sie müssen sich nicht entschuldigen. Es wäre besser, wenn er es nicht herausgefunden hätte, aber Pinter ist clever – er kennt meinen Ruf. Es war klar, dass er misstrauisch sein würde. Und Sie hatten sicherlich nicht die Absicht, es zu verraten.«
»Natürlich nicht. Aber er begann, Dinge über Sie und mich anzudeuten, und dann über mich und Nathan und …«
»Er hat Sie durch Manipulation dazu gebracht, die Wahrheit preiszugeben, aber das ist in Ordnung. Es ist eben sein Beruf. Deshalb ist er so ein guter Ermittler. Und Sie sind nicht so geübt darin, eine Rolle zu spielen, wie ich. Es ist nicht Ihre Art.«
»Nein, aber ich habe versprochen, das Geheimnis zu wahren.«
Er zuckte mit den Schultern. »Pinter wird diskret sein, nachdem er sich zu Ihrem Beschützer erkoren hat. Solange meine Großmutter keinen Wind davon bekommt, ist alles bestens.«
Inzwischen kamen sie nur noch langsam voran, weil sie in eine lange Schlange aus Karren und anderen Kutschen geraten waren, und Oliver freute sich, dass er noch ein bisschen länger mit Maria allein sein konnte.
»Was hat er dazu gesagt, wie die Aussichten stehen, Hyatt zu finden?«, fragte er.
»Nicht viel. Aber immerhin bin ich meinem Ziel jetzt näher als vorher, und das habe ich Ihnen zu verdanken.«
Er wollte ihren Dank nicht. Was ihn anbelangte, konnte Nathan Hyatt in der Hölle verrotten. Auf dem Weg zum Club hatte er Freddy ein wenig ausgefragt, und je mehr er erfuhr, desto mehr verachtete er Hyatt. Er wollte Maria eindeutig aus praktischen Gründen heiraten, die nichts mit ihrer Großherzigkeit und ihrer immensen Loyalität zu tun hatten. Sie lief Gefahr, den gleichen Fehler zu machen wie seine Mutter. Dabei konnte nichts Gutes herauskommen.
Und das musste er ihr klarmachen. »Ist Ihnen schon einmal in den Sinn gekommen,
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