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Loreley

Titel: Loreley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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erfordere dies einen Körper von edlem Geblüt. Ich weiß nicht, ob das wirklich die Wahrheit war oder ob Titania sich nicht vielmehr einen ihrer Spaße mit der Gräfin erlaubte – schließlich ist sie die Herrscherin aller Feen, und ihr Sinn für Schabernack ist ungleich größer als der ihrer Untertanen. Jedenfalls verlangte sie, dass die Gräfin eines ihrer beiden Mündel für den Zauber hergebe, den Titania wirken wol l te. Die Wahl fiel auf Fees Schwester.«
    Ailis hatte das Gefühl, als schwanke der Boden unter ihren Füßen. »Aber es hieß doch, sie sei – «
    »Gestorben. In gewisser Weise ist das auch die Wah r heit. Du hast gesehen, was aus der Kleinen wurde. Das Echo wurde in ihren Leib gesperrt, und beide gemeinsam im Torschacht auf dem Lurlinberg eingekerkert. Nach Titanias Vorgaben wurde ein Gitter geschmiedet, das die Macht des Gesangs über Menschenohren aufhob. Doch die Kön i gin hatte die Kraft des Echos unterschätzt, und so gelang ihm die Flucht.«
    »Das war an dem Tag, als ich ihm begegnete, nicht wahr?«
    »Ja. Der Graf und seine Männer fingen es mit einem Feennetz ein, ohne das Echo dabei selbst zu berühren, damit es nicht unbemerkt in einen von ihnen überwec h selte. Schon vorher hatte Titania ein neues Gitter schmieden lassen, vielleicht weil sie ahnte, dass das alte nicht machtvoll genug war. Auf jeden Fall kam es gerade rechtzeitig, denn nun wurde das Echo erneut in den Schacht gestoßen und die Öffnung mit dem neuen Gitter verschlossen. Es war stärker als das erste, wenn auch noch immer nicht stark genug, um den Gesang völlig zu unterdrücken. Besonders empfindliche Ohren – wie die von Herren oder die deinen, Ailis – konnten ihn trotz a l lem noch hören.«
    »Aber warum das Schloss?«
    »Eine kleine Bosheit Titanias. Sie wollte sich wohl die Möglichkeit offen halten, das Echo eines Tages zu b e freien, falls ihr einmal der Sinn danach stünde. Du ve r stehst noch immer nicht die Natur dieser Wesen. Sie sind wie Kinder, denen Spiele und verschrobene Spaße wic h tiger sind als alles andere. Vielleicht hat Titania dies alles geplant. Vielleicht wollte sie sogar, dass irgendwer den Schlüssel findet und das Gitter öffnet. Gut möglich, dass sie gerade in diesem Auge n blick in ihrem Palast sitzt, uns beobachtet und mit ihren Untergebenen Wetten a b schließt, wie dein nächster Schritt aussehen wird.« Er überlegte kurz, dann sagte er: »Wahrscheinlich war sogar sie diejenige, die die erste Flucht des Echos ermöglicht hat. Ich nehme an, ihr war vollkommen klar, dass das erste Gitter das Echo nur eine Weile lang aufhalten wü r de. Warum sonst hätte sie schon vor dem Ausbruch ein neues in Auftrag gegeben? Dieses Biest wusste genau, was geschehen würde! Du, Ailis, ich selbst, der Graf und die Gräfin, deine Freundin Fee, die Naddred, ja sogar das Echo – wir sind alle nur Figuren im Spiel Titanias. Sie schreitet ein, wenn sie es für nötig hält, sie gewährt Wü n sche, wenn es ihr klug erscheint, doch die meiste Zeit über schaut sie nur zu und erfreut sich an unseren Bem ü hungen.«
    Noch während sie versuchte, ihre Verwirrung zu mei s tern, fragte Ailis: »Dann wirst du mir helfen, Fee zu re t ten?«
    »Den Teufel werde ich tun!«, entgegnete der Spie l mann scharf. »Die Naddred sind hier, weil ich einen Fe h ler gemacht habe. Deshalb helfe ich dir zu verschwinden. Aber alles andere …« – er schüttelte entschieden den Kopf – »… nein, nein, das ist nicht meine Angelege n heit.«
    Wütend ballte sie die Fäuste. »Aber du scheinst alles darüber zu wissen. Wie kannst du da so gleichgültig ble i ben?«
    »Nenn es gleichgültig, wenn du magst. Ich nenne es vernünftig. Mir reichen die Feinde, die ich bereits habe. Warum sollte ich mich auch noch mit den Naddred anl e gen?«
    »Aber wenn sie das Tor öffnen, wird das Gleiche pa s sieren wie damals.«
    »Oh«, meinte er und gestikulierte fahrig, »es wird sehr viel schlimmer kommen. Aber wer bin ich schon, dass ich etwas dagegen ausrichten könnte?«
    Sie spürte Verzweiflung in sich aufsteigen, versuchte aber, es sich nicht anmerken zu lassen. »Die Naddred werden wissen, dass du mir geholfen hast. Sie werden dich auch so nicht zu ihren Freunden zählen.«
    »Du meinst, ich sollte dich lieber hier lassen?« Jam m rich runzelte die Stirn, als sei diese Möglichkeit tatsäc h lich eine erneute Überlegung wert.
    »Das habe ich nicht gesagt.«
    »Gut. Dann komm!«
    Und damit trat er hinter sie, sodass sie

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