Loreley
lang Hufeisen schmi e den, das verspreche ich dir.«
Sie küsste ihn auf beide Wangen, nahm eine lederne Scheide, steckte ihr Schwert hinein und hängte sie sich über den Rücken.
»Leb wohl, Ailis«, sagte Erland, als sie zur Tür ging.
»Wart’s nur ab«, gab sie zurück. »Du siehst mich fr ü her wieder als dir lieb ist.«
Der Schmied lächelte, aber durch seinen buschigen Bart war es kaum zu sehen.
Ailis trat ins Freie, lief an den Wachen vorbei durchs Tor und dann weiter hinaus in die Nacht. Sie nahm den Pfad, der zum Wald führte, und bald schon umgab sie tiefstes Dickicht. Das Spiel der Sackpfeife klang jetzt näher und klarer, hier im Wald hätte auch jeder andere sie hören können. Doch niemand, der seine Sinne be i sammen hatte, verirrte sich um diese Zeit so tief ins U n terholz.
Die Melodie brach ab.
»Sei gegrüßt«, sagte der Lange Jammrich und trat hi n ter einer mächtigen Eiche hervor. Die Mondsichel schien schwach durch das Blätterdach und legte ein schwarzes Schattenraster über die Züge des Gauklers. Die Nacht nahm seiner sonst so bunten Kleidung alle Farbe, er wir k te genauso unscheinbar grau wie die Umgebung.
»Ich habe gehofft, dass du mich hörst«, sagte er l ä chelnd, als sie vor ihm stehen blieb. Seine honigfarbenen Augen strahlten. »Und du hast ein Schwert mitgebracht! Was für ein tapferes Mädchen.«
»Warum hast du mich gerufen?«, fragte sie und ve r suchte, in der Dunkelheit sein Gesicht mit jenem in ihrer Erinnerung zu vergleichen. Soweit sie erkennen konnte, hatte er sich kaum verändert. Ungewöhnlich groß und dünn, mit langen Gliedern wie eine Grille. Ein spitzes, vorstechendes Kinn unter schmalen Lippen, dahinter ein makelloses Gebiss.
»Du bist in Gefahr«, sagte er. Dass er als Freund gr o ßen Geschwafels so eilig zur Sache kam, zeigte, wie ernst es ihm war.
»Ich hatte also recht«, entgegnete Ailis leise. »Es w a ren tatsächlich die Naddred.«
»Dann weißt du schon alles?«
»Nein«, entgegnete sie rasch. »Nicht wirklich. Was wollen sie hier? Und was au s gerechnet von mir?«
»Du wunderst dich nicht, dass ich über alles Bescheid weiß?«
»Ich habe mich damals nicht über dich gewundert, und heute werde ich es erst recht nicht tun. Eine Menge ist seitdem geschehen.«
Er nickte kummervoll. »Das meiste davon habe ich gehört. Wir müssen von hier verschwinden.«
Sie rührte sich nicht. »Sag mir erst, was die Naddred ausgerechnet von mir wollen. Sie haben das Schlange n auge. Weshalb sind sie immer noch hinter mir her?«
Er lachte auf, leise und höhnisch. »Das Auge! Das hat nicht das Geringste zu b e deuten, wie so vieles, an das diese Narren glauben. Es ist nur ein einfacher Edelstein, egal, was alle behaupten. Seit unzähligen Jahren ziehen allerlei Dummköpfe durch die Welt und suchen nach den verschollenen Augen. Das tun sie gerne, weißt du? Ro t ten sich zusammen und begeben sich auf ihre Große S u che, wie sie es nennen. Dabei ist es im Grunde ganz egal, nach was sie suchen. Die einen zieht es zu irgendwelchen Schwertern, die magisch sein sollen, die nächsten zu ve r zauberten Ringen und Kronen und glitzerndem Tand. Narren sind sie alle! Glauben, sie seien Helden oder ve r wegene Abenteurer. Pah! Lassen wir sie suchen, Ailis. Wen kümmert es, ob sie etwas finden oder dabei sterben. Irgendein Chronist wird sich schon erbarmen, ihre Erle b nisse aufz u schreiben, und irgendwer wird sie irgendwann lesen und sagen: Liebe Güte, was für verwegene Hunde! Von mir aus. Hast du geglaubt, ich bin hier, um dich zu irgendeiner dieser dummen Suchen anzustiften? O nein! Ich will dich nur warnen. Und dein Leben retten, falls dir daran liegt.«
Sie schluckte, dann nickte sie langsam. »Das klingt … nun, vernünftig, schätze ich.«
»Dann kommst du mit mir?«
»Wohin?«
»Dorthin, wo dich die Naddred nicht finden können.«
»Du hast mir noch immer nicht gesagt, warum sie es auf mich abgesehen haben.«
»Sie glauben, du warst in Faerie. Du bist während i h res Rituals dem Tor entstiegen. Wer kann ihnen verübeln, dass sie daraus ihre Schlüsse ziehen?«
»Und?«
»Und, und!«, äffte er sie ungeduldig nach. »Sie selbst werden noch bis zum nächsten Vollmond in zwei W o chen brauchen, um das Tor zu öffnen. Sie glauben, du kennst einen schnelleren Weg.«
»So ein Unsinn!«
»Natürlich. Du kannst gerne zu ihnen gehen und ihnen das sagen.«
Ailis verzog das Gesicht: »Lieber nicht.«
»Wirst du also mit mir kommen?«
Sie zögerte
Weitere Kostenlose Bücher