Loretta Chase
schien
zu glauben, dass diese Absicht an die Bedingung geknüpft ist, Ihre Gattin zu
werden.«
Frauen.
Er
knirschte nicht mit den Zähnen. Wenn er sich in Gegenwart seines Onkels
beherrschen konnte, so würde er sich auch jetzt beherrschen können.
»Ich habe
keine Bedingungen gestellt«, stellte er klar. »Kein Gentleman würde
dergleichen tun. Sollte es so geklungen haben, muss ich mich im Eifer des
Gefechts falsch ausgedrückt haben. Leider bin ich mir allzu deutlich bewusst,
dass ich den richtigen Ton nicht immer treffe.«
»Dann ist
es ja gut, wenn wir jetzt die Sache klären«, fand Lady Lithby. »Einige
Ihrer Bemerkungen waren durchaus missverständlich. Sorgen bereitet mir beispielsweise,
dass Sie – in Ihrem Bemühen, Lady Charlotte zu schützen – Arrangements für das
Kind getroffen haben.«
»Aber das
war doch selbstverständlich«, sagte er. »Heute Morgen habe ich Kenning
losgeschickt, um den Jungen aus seinem Lehrvertrag freizukaufen. Ich weiß, dass
es sich um eine unglückliche Fügung des Schicksals handelt, aber die
derzeitigen Lebensumstände des Jungen sind ein Skandal. Er ist der Sohn einer
Dame und eines Gentleman – eines Wüstlings zwar, doch eines Gentlemans von
Geburt. Der Junge sollte ein ordentliches Zuhause habe und eine Erziehung, die
seinem Stand gebührt. Ich habe das alles im Griff. Sie brauchen sich um nichts
mehr zu kümmern.«
»Ich möchte
mich aber darum kümmern«, sagte Lady Lithby ruhig. »Wir möchten den
Jungen zurück.«
»Das kann
nicht Ihr Ernst sein«, sagte er. »Es wird unmöglich sein, die Sache geheim
zu halten, wenn der Junge hierbleibt.«
»Charlotte
will es nicht geheim halten.«
Zum zweiten
Mal an diesem Tag meinte er seinen Ohren nicht zu trauen. War die gute
Gesellschaft denn völlig verrückt geworden, während er außer Landes gewesen
war? Oder waren es nur die Haywards, die den Verstand verloren hatten? »Sie
kann unmöglich bekennen, ein uneheliches Kind zur Welt gebracht zu haben«,
sagte er. »Ich kann kaum glauben, dass Sie ihr das gestatten wollen. Ihr
Ansehen und Ihr Einfluss mögen verhindern, dass sich ihr alle Türen für immer
verschließen, doch wird sie fortan mit anderen Augen gesehen werden. Man wird
sie anders behandeln. Frauen, die ihr in jeder Hinsicht unterlegen sind, werden
auf sie hinabsehen. Einige wenige werden es wohl gar wagen, sie öffentlich zu
beleidigen. Ausnahmen, natürlich – doch Sie wissen sehr genau, dass es genügend
gesellschaftlich akzeptierte Arten gibt, jemanden höflich lächelnd zu
brüskieren. Die bloße Vorstellung, sie solchen Demütigungen auszusetzen ...
Nein, unvorstellbar ist das. Lady Lithby, Sie müssen sie davon abhalten.«
»Sie möchte
ihr Kind«, sagte Lady Lithby. »Sie müssen Ihren Diener
zurückbeordern.« »Selbst wenn ich mich diesem Wahnsinn anschließen wollte,
so könnte ich es doch nicht«, sagte der Colonel. »Kenning hat seine
Befehle. Alles ist geplant und vorbereitet. Er müsste jetzt bereits in Liverpool
sein – wenn nicht gar schon auf dem Weg nach Irland.«
Kapitel 15
Daisy führte Seine Lordschaft nicht zu
irgendeinem Rattenloch, sondern geradewegs zum Schweinepferch des Gehöfts.
Schon aus der Ferne sah Lord Lithby eine kleine einsame Gestalt auf dem Gatter
hocken. Manche der Männer, die auf dem Hof arbeiteten, schauten dann und wann
in seine Richtung, kümmerten sich jedoch nicht weiter um ihn. Wie es schien,
waren sie es gewohnt, den Jungen dort zu sehen.
Früher
einmal, noch vor Hyacinths Zeit, so erinnerte Lord Lithby sich nun, hatte er
seine Tochter auf das Gatter gehoben, die ebenfalls gern dort oben saß. Sie
hatten den Schweinen zugeschaut, wobei es sich vortrefflich reden ließ.
Ihm wurde
ganz beklommen zumute.
Daisy war
als Erste bei dem Jungen. Und obwohl sie sich wie immer still und unergründlich
gab, musste Pip ihre Gegenwart bemerkt haben, denn er drehte sich nach ihr um.
Lord Lithby
versuchte sich zu fassen, straffte die Schultern und ging hinüber zum Pferch.
Der Junge richtete seinen Blick auf ihn.
Als er
näher kam, sah Lord Lithby, dass das eine Auge des Jungen blau und geschwollen
war, was das Kind wie einen kleinen Kobold aussehen ließ.
Er gesellte
sich zu Pip und stützte sich mit verschränkten Armen auf das Gatter, wie er es
auch früher immer getan hatte, wenn seine Tochter dort oben neben ihm saß. »Du
musst Daisys Freund Pip sein«, sagte Seine Lordschaft.
Pip nickte.
»Ja, Sir.«
»Ich bin
... Lithby«, sagte Lord Lithby.
Pip
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