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Loretta Chase

Loretta Chase

Titel: Loretta Chase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine verführerisch unnahbare Lady
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riss
die Augen weit auf. Oder zumindest eines der beiden. »Bitte um Entschuldigung,
Euer Lordschaft.« Er zog sich die Kappe vom Kopf und wollte vom Gatter
herunterklettern.
    »Nein,
nein, bleib ruhig dort sitzen«, sagte Seine Lorschaft und betrachtete den
blonden Schopf des Jungen. Das helle Haar lockte sich und ließ einen
unverkennbaren Wirbel am Hinterkopf erkennen.
    Genau wie
Charlottes Haar, als sie ein Kind gewesen war und noch kein Dutzend Haarnadeln
den störrischen Wirbel und die kunstvoll arrangierten Locken zähmten. »Du bist
jederzeit willkommen, meine Hyacinth zu bewundern«, sagte Lord Lithby, wie
er es zu jedem sagen würde, der sein Lieblingsschwein zu sehen bekam. »Sie ist
schon eine prächtige Sau, nicht wahr?«
    »So ein
prächtiges Schwein habe ich noch nie zuvor gesehen, Euer Lordschaft«,
sagte Pip. »Hier auf dem Hof sagen alle, sie wäre das größte Schwein der Welt.
Aber ich frage mich, woher sie das wissen wollen, sind die meisten doch noch
nicht mal bis Manchester gekommen. Für sie ist Manchester praktisch das Ende
der Welt und Salford auf dem Mond. Dabei ist es überhaupt nicht weit weg. Mr.
Carsington und ich waren in ein paar Stunden da, obwohl wir nie schneller als
im Trab geritten sind.«
    Lord Lithby
erinnerte sich schaudernd, was Mr. Carsington über das Armenhaus von Salford
berichtet hatte. Sein Enkel – in einem Armenhaus! Der Gedanke war unerträglich.
Unerhört! Am liebsten hätte er in seinem Zorn den Zaun niedergetrampelt. Doch
er hieß sich zu beherrschen und kein Idiot zu sein.
    »Ein
prächtiges blaues Auge hast du da«, meinte er.
    »Ich hab
mich geprügelt«, sagte Pip.
    »Da kann so
was schon mal vorkommen.«
    »Mrs.Tyler
hat sich ziemlich aufgeregt deswegen«, sagte Pip.
    »Frauen
regen sich immer über solche Kleinigkeiten auf.«
    »Sie hat
gesagt, sie würde mich zurück ins Armenhaus schicken, aber ich glaube, sie war nur
ein bisschen wütend und hat das nicht so gemeint«, fuhr der Junge fort.
»Und selbst wenn, Mr.
Carsington hat gesagt, das würde er nicht zulassen, und das Wort eines
Gentlemans gilt als Ehrenwort.«
    »Das ist
wohl wahr«, sagte Seine Lorschaft.
    Schweigen.
    »Ich weiß,
dass ich nicht hier sein sollte, Euer Lordschaft«, sagte der Junge. »Ich hätte zu
Mr. Tyler zurückgehen und ihm bei der Arbeit helfen sollen, aber ich musste
erst mal in Ruhe nachdenken. Schweine helfen einem beim Nachdenken.«
    »Deshalb
komme ich auch gern hierher«, sagte Seine Lorschaft. »Um
nachzudenken.«
    Hier haben
deine Mutter und ich auch stets alles Wichtige besprochen, hätte er noch
hinzufügen können.
    Das
Allerwichtigste jedoch, das, worüber sie nie gesprochen hatten, saß jetzt nur
eine Handbreit von Lord Lithbys Ellenbogen entfernt.
    »Ich bin
aber immer noch nicht schlauer als vorher«, seufzte Pip. »Mrs. Tyier hat
gesagt, man dürfe sich nicht prügeln, und ich habe erwidert, meine Mutter wäre
tot, und man dürfe auch nicht schlecht von den Toten sprechen. Da meinte sie,
das wäre wohl so, aber es wäre noch lange kein Grund, sich zu prügeln. Und da
habe ich gesagt, was wäre denn, wenn sie einen Jungen hätte und ein anderer
Junge würde schlecht über sie reden? Sollte ihr Sohn nicht ihre Ehre
verteidigen? Da meinte sie, Ehre wäre was für Gentlemen und feine Damen.
Gewöhnliche Leute wie wir hätten genug damit zu tun, sich ihr Brot zu
verdienen. Was ich mir denn einbilden würde, meinte sie. Ich hätte mir den Arm
oder das Bein brechen können, und wer hätte dann meine Arbeit machen
sollen?«
    »Da hat sie
allerdings recht«, fand Seine Lordschaft. Man sah ihm an, wie es in ihm
arbeitete, doch der Junge hatte beim Reden auf das Schwein geschaut und
bemerkte es nicht.
    »Aber ich
kann bestimmt nicht zulassen, dass man schlecht über meine Mutter redet«,
fuhr Pip fort. »Wer soll denn ihre Ehre verteidigen, wenn nicht ich? Ich muss
es tun. Und weil ich es tun muss, kann ich kein gewöhnlicher Junge sein. Aber
ein Gentleman kann ich ja auch nicht sein.« Er runzelte die Stirn. »Ein
ziemliches Dilemma, Sir, nicht wahr?«
    »Nein,
keineswegs«, erwiderte Seine Lordschaft, und seine Stimme
zitterte ein wenig. »Frauen sehen das wohl etwas anders als Männer. Du hattest
vollkommen recht, die Ehre deiner Mutter zu verteidigen.«
    Er klopfte
dem Jungen auf die Schulter. Niemand würde je erfahren, wie schwer es ihm fiel,
es dabei zu belassen. Niemand würde je erfahren, wie mühsam er sich
zurückhalten musste, aber er hielt sich zurück, denn

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