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Loretta Chase

Loretta Chase

Titel: Loretta Chase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine verführerisch unnahbare Lady
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Blaine keines zweiten Blickes gewürdigt – und sich
nicht die Aussicht verbaut, eines Tages zu heiraten und eine Ehe zu führen, die
ebenso glücklich und liebevoll wäre wie die ihres Vaters und ihrer Stiefmutter.
    Wenn nur zu
denken war reine Zeitverschwendung, sagte sie sich zum tausendsten – oder
abertausendsten – Male.
    Lizzies
Stimme riss sie aus ihren freudlosen Gedanken. »Dein Vater hat recht. Es ist an
der Zeit, dass du dein eigenes Leben führst. Was vergangen ist, lässt sich
nicht ändern. Du warst noch sehr jung, als du kurz hintereinander zwei schwere
Verluste erlitten hast. Natürlich ist es verständlich, deswegen Trauer zu
empfinden, doch dürfen wir uns von unserem Kummer nicht beherrschen
lassen.«
    »Das tue
ich nicht«, erwiderte Charlotte. »Ich glaube, dass ... dass er tot ist, so
wie meine Mutter. Man trauert eine Weile, aber das Leben geht weiter.«
    »Dennoch,
meine Liebe, wenn du beunruhigt sein solltest wegen dieser lang vergangenen
...«
    »Ich bin
nicht beunruhigt«, sagte Charlotte, und es war nicht mal gelogen. Ihr
Gemütszustand war so jenseits aller Unruhe, dass er sich kaum in Worte fassen
ließ. Lizzie sah nicht so aus, als würde sie ihr glauben, beharrte indes nicht.
»Vielleicht brauchen wir genau das«, meinte sie. »Jemanden, der die Sache
ganz unbefangen angeht.«
    »Es ist
sehr gütig von Papa, sich dessen anzunehmen«, stimmte Charlotte zu. »Ich
weiß, dass er seine Zeit auf dem Land lieber mit ländlichen Dingen verbringen
würde. Dem Vieh. Der Entwässerung. Den Rüben.«
    Lizzie
lächelte. »Wohl wahr, aber die Ankunft von Mr. Carsington dürfte ihn dafür
entschädigen. Du weißt ja, wie sehr Beechwoods Verfall deinem Vater zugesetzt
hat. Er war außer sich vor Freude, als er erfuhr, dass ein in
landwirtschaftlichen Fragen Gleichgesinnter sich nun des Anwesens annehmen
würde.«
    Charlotte
konnte es ihrem Vater nachfühlen.
    Aber er
konnte nicht ahnen, wie sie sich fühlte. Die Wildnis nebenan war über Jahre
hinweg ihr Zufluchtsort gewesen.
    Einige
Monate nach der Geburt des Kindes war Charlotte noch immer kränklich und
freudlos gewesen. Deswegen war Lizzie mit ihr in die Schweiz gereist, wo
ausgedehnte Wanderungen in den Bergen, entlang an klaren Bächen, Wasserfällen
und in der Sonne funkelnden Gebirgsseen sie langsam genesen und wieder zu
Kräften hatten kommen lassen.
    Und als sie
nach England zurückgekehrt waren, hatte Beechwood den Platz der Schweizer Berge
eingenommen. Dank Lizzies Fürsprache war Charlotte auf Beechwood ein stiller
Rückzugsort vergönnt gewesen.
    Wann immer
ihr etwas auf der Seele lastete, schlug sie denselben Weg ein und folgte dem
Wasserlauf, der die beiden Anwesen voneinander trennte. Der Stallbursche, der
sie bei ihren Spaziergängen begleitete, blieb wartend am anderen Ufer zurück,
während sie den Bach überquerte und weiter dem Pfad folgte, der am See
entlangführte. Sie nahm immer diesen Weg, weil dort niemand war – oder bislang
nicht gewesen war der sie hätte sehen können. Inmitten der Wildnis konnte auch
sie wild sein. Eine Weile konnte sie alle Regeln vergessen, die nie wieder zu
verletzen sie sich vor zehn Jahren geschworen hatte.
    Sie hatte
sich geschworen, ein gutes Mädchen zu sein, alles zu tun, das richtig und
anständig war, und nichts, das falsch oder auch nur andeutungsweise
unschicklich gewesen wäre.
    Aber wenn
sie allein war, wo nichts, was sie tat, andere hätte erzürnen oder verletzen,
beschämen oder schockieren können, erlaubte sie sich, das Korsett des Anstands
zu lockern und frei durchzuatmen.
    In
Beechwood, wo niemand ihr zusah außer Vögeln, Hasen und Kleingetier, konnte sie
nach Herzenslust weit ausschreiten oder wild herumstampfen. Sie konnte wütend
die Fäuste schütteln, brummelnd Selbstgespräche führen und in Ruhe erörtern,
was auch immer ihr gerade durch den Kopf ging.
    Es wäre ihr
nicht im Traum eingefallen, sich auf den wohlgepflegten Wegen des väterlichen
Anwesens derart zu benehmen, wo jederzeit das Gesinde oder Besucher sie sehen
könnten.
    Nun war ihr
Zufluchtsort verloren. Für immer.
    Sie ging
hinüber zum Kamin und ließ ihre ruinierten Handschuhe auf den kalten Rost
fallen. Die hätte sie eigentlich auch verfüttern können. Hyacinth hätte sich
gefreut. Leb wohl, Hut. Lebt wohl, Handschuhe.
    Leb wohl,
Freiheit.
    Sie wurde
sich eines anhaltenden Schweigens bewusst. Was hatte Lizzie zuletzt gesagt? Ach
ja.
    »An
landwirtschaftlichen Fragen interessiert mag er ja sein«,

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