Loretta Chase
seine Finger kurz die ihren streiften.
Ihre Hände
zitterten.
»Du machst
das sehr gut mit Daisy«, brachte sie mühsam hervor.
»Sie ist
auch ein sehr guter Hund, Euer Ladyschaft«, sagte der Junge. »Mr. Tyler
hat gesagt, ich solle ihr nicht zu nahe kommen. Bulldoggen beißen einen in die
Nase, als ob man ein Bulle wäre, sagt er, und dann lassen sie nicht mehr los.
Aber so was macht sie doch überhaupt nicht, nicht wahr, Euer Ladyschaft?«
»Trotzdem
solltest du nicht vergessen, dass sie kein Schoßhund ist«, sagte Mr.
Carsington. »Noch ist sie jung, und sie mag zahmer und gutmütiger sein als
andere ihrer Art, aber Bulldoggen sind Kampfhunde. Wenn du ihr wehtust oder sie
quälst, könnte das böse enden.«
Der Junge
war schockiert. »Aber das würde ich doch niemals tun«, empörte er sich.
»Mr. Welton hat immer gesagt, ich dürfe keinem Lebewesen etwas zuleide tun, das
sich nicht wehren kann oder das kleiner ist als ich. ,Und was, wenn ein
tollwütiger Hund mich angreift, Sir?', habe ich ihn gefragt. ,Oder wenn ich im
Dschungel wäre und ein wildes Tier wollte mich fressen?' Da meinte er, es wäre
richtig, mich zu verteidigen, wenn jemand mir Schlimmes wollte. Aber nur
dann.«
Mr.
Carsington lachte. »Ich merke, dass du früh zu debattieren begonnen hast.
Anweisungen widersprechen? Alles gründlich infrage stellen? Peregrine, der
Neffe meines Bruders, ist genauso. Aber wir wollen dich nicht von deiner Arbeit
abhalten. Daisy ist noch lange nicht müde. Nimm sie am besten mit hinüber zum
Gehöft und sieh zu, ob
ihr meinem Verwalter Purchase bei der Rattenplage zur Hand gehen könnt. Pro
Ratte zahle ich dir einen halben Penny.«
Die Miene
des Jungen hellte sich auf. »Oh ja, Sir. Danke, Sir.« Er verbeugte sich
vor Charlotte. »Euer Ladyschaft.« Er schaute hinunter zu Daisy, die ganz
hingerissen zu ihm aufschaute. »Komm, Daisy. Dann wollen wir mal ein paar
Ratten fangen.« Charlotte sah den Jungen davonspringen, der so sorglos und
unbekümmert schien wie der Hund, der ihm begeistert folgte.
»Ich hoffe,
dass Tyler ihn nicht bestraft, weil er statt zu arbeiten mit dem Hund
spielt«, sagte sie. »Ist es nicht furchtbar, ein Kind bei so schönem
Wetter den ganzen Tag im Haus arbeiten zu lassen?« Sie schluckte. »Gewiss
werden Sie nun sagen, dass ich unvernünftig und sentimental sei. Nur die Kinder
der Reichen können unbeschwert spielen. Alle anderen müssen sich ihr Brot sauer
verdienen – und bekommen oft nicht
einmal genug, um nicht zu hungern.«
»Sie
verwechseln mich mit meinem ältesten Bruder, wenn Sie glauben, ich würde mir
derlei anmaßen«, sagte er. »Rathbourne ist bei uns der Philanthrop in der
Familie. Den Armen und den Kriminellen gilt sein besonderes Interesse. Wollen
Sie Ihren Hut nun aufsetzen oder nicht? Ihr Nacken rötet sich bereits. Wenn Sie
nicht aufpassen, sprießen Ihnen gleich Sommersprossen.«
Sie nahm
ihm den Hut ab und setzte ihn auf. »Ich bekomme keine Sommersprossen«,
sagte sie und band die Bänder. »Ich gehe sofort von blass zu rot über.«
Ob der
Junge wohl auch einen Sonnenbrand bekam?, überlegte sie. Oder nahm seine Haut
ganz allmählich einen etwas dunkleren, golden schimmernden Ton an, wie sie es
bei Papa tat? Ihr Blick fiel auf Mr. Carsingtons sonnengebräuntes Gesicht, das
auch einen leichten Goldton hatte. Die Natur konnte so grausam sein. Obwohl
Männer nicht einmal annähernd so sehr auf ihr Äußeres angewiesen waren wie
Frauen, schienen sie stets im Vorteil zu sein. Sogar in dieser Hinsicht. Er
bekam keine Sommersprossen oder grässliche rote Flecken im Gesicht. Ganz im
Gegenteil. Die Sonne liebte ihn und ließ ihn erst so richtig erstrahlen.
Und gewiss
nicht nur die Sonne. Sie wollte gar nicht wissen, wie viele Frauen ihn schon
geliebt hatten. Es war schließlich nicht schwer, sehr verlockend sogar, sich
der kleinen Illusion hinzugeben, die er geschaffen hatte, dieser kleinen
Ewigkeit des Glücks.
Sie sah
beiseite und schaute in die Richtung, in die der Junge verschwunden war.
Dichtes Gebüsch nahm ihr indes die Sicht.
»Sie
brauchen sich nicht um die Nöte des armen Lehrlings zu sorgen«, sagte Mr.
Carsington. »Gestern in Altrincham habe ich Ihren Vater getroffen. Wir haben
unter anderem auch über die Bulldogge gesprochen und waren uns darin einig,
dass sie fett und träge wird. Ich habe Pip erwähnt und wie gut er mit ihr
zurechtkommt. Lord Lithby meinte, er würde veranlassen, dass Tyler für die Zeit
bezahlt werden soll, die der Junge mit
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