Loretta Chase
sonstigem Getier den Garaus zu
machen. Es war übrigens die Idee Ihres Vaters, wenn Sie es ganz genau wissen
wollen.«
»Es
scheint, als hätten Sie und Papa recht ausführlich über Pip gesprochen.«
»Ich habe
ihn um Rat gefragt«, gestand Mr. Carsington ein. »Ihr Vater hat mehr
Erfahrung als ich. Ich wollte Pip eine Arbeit außerhalb des Hauses beschaffen.
Einige der Arbeiter sind nicht davon abzubringen, dass der Junge Unglück
bringt. Jedes Mal, wenn etwas schiefgeht, lag es an ihm – und nicht an der
Unachtsamkeit oder Ungeschicklichkeit eines anderen. Oder einfach an einem
dummen Zufall. Es ist so schon schwer genug, die Renovierungsarbeiten zu
organisieren und im Haus für Ordnung zu sorgen. Und der Junge kann nun wirklich
nichts dafür.«
»Vielleicht
findet sich ja auf Lithby Hall etwas für ihn zu tun«, sagte sie – und
hätte die Worte am liebsten sofort zurückgenommen .
Sie konnte
den Jungen nicht jeden Tag um sich haben. So weitläufig das Anwesen ihres
Vaters auch war – wenn sie wusste, dass Pip da war, würde sie beständig nach
ihm Ausschau halten. Was war nur in sie gefahren, die Möglichkeit überhaupt
erwogen zu haben?
»Die
Schädlinge hat Ihr Vater unter Kontrolle«, sagte Mr. Carsington. »Auf
Beechwood könnte ich Pip dringender gebrauchen.
Wir haben vereinbart, dass er Daisy jeden Morgen auf Lithby Hall abholen wird –
gleich morgens, sowie die Dienstboten wach sind. Nach ihrem Auslauf bringt er
sie zurück und geht wie gewohnt an seine Arbeit – wenn man ihn denn lässt. Ich
werde ein Auge darauf haben, wie die Sache sich entwickelt. Das Stuckieren
scheint ihm zu gefallen, nur bekommt er meist nicht viel zu tun. Wie jeder
andere Lehrling auch, muss er die Fronarbeiten verrichten und anderen zur Hand
gehen. Doch Tyier hat auch gesagt, dass der Junge sichtlich Talent dafür hat,
Muster zu entwerfen. Einige davon hat lyier sogar verwendet. Wenn Pip für die
Arbeit geeignet ist, wäre es töricht, ihm eine andere zu geben. Aber wir wollen
erst einmal abwarten. Vielleicht geht ja alles gut.«
»Und wenn
es nicht gut geht?«, fragte sie. »Sie haben versprochen, einen Platz für
ihn zu finden, und ich hatte bislang den Einruck, dass Sie nicht zu leeren
Versprechungen neigen.«
Lächelnd
sah er sie an. »Tatsächlich? Sollte ich doch noch eine löbliche Eigenschaft
haben?«
Sie hob das
Kinn. »Kindern gegenüber freundlich und aufmerksam zu sein, ist durchaus eine
löbliche Eigenschaft. Das habe ich sehr wohl zu Ihren Gunsten vermerkt.«
»Führen Sie
Buch?«, fragte er.
»Natürlich«,
sagte sie. »Immer.« Sie blinzelte hinauf in die Sonne, die von leichten
Wolken verdeckt war. »Es ist schon Mittag. Meine Stiefmutter wird wohl für den
Heimweg bereit sein. Ich sollte lieber gehen.«
Und damit
ging sie.
Diesmal
folgte er ihr nicht, doch sie spürte den Blick seiner goldbraunen Augen auf
sich, spürte ihn so deutlich wie eine Berührung, und sie hätte zu gern gewusst,
ob ein feines Lächeln auf seinem Gesicht lag, das seine Züge weich und sanft
erscheinen ließ.
Kapitel 10
Samstagabend, 30. Juni
Anstrengender Tag, Sir?«, fragte Kenning,
als er seinem Herrn nach oben folgte. »Sie sind später dran als sonst.«
»Lord
Eastham hat mir zahlreiche Ratschläge für Lord Lithbys Hausgesellschaft
geben«, sagte Colonel Morrell.
Unter den
Geladenen waren ein halbes Dutzend der begehrtesten Gentlemen Englands – oder vielmehr
jenes halbe Dutzend, das Lady Charlotte bislang noch nicht abgewiesen hatte.
Was sie bei
dieser Gelegenheit nachholen würde, denn alle Gentlemen würden denselben Fehler
machen. Sie würden sich ihrem Ziel auf direktem Wege nähern. Lady Charlotte musste
auf Umwegen, mittels Tücke und Taktik, erobert werden. Colonel Morrell hatte
darauf verzichtet, seinem Onkel diese Strategie zu erklären. Auch ließ er
unerwähnt, dass der einzige Gentleman, der ihm wirklich Sorgen bereitete,
Darius Carsington war, der keinerlei Anzeichen intensivierter Brautwerbung
erkennen ließ und zudem den strategischen Vorteil räumlicher Nähe auf seiner
Seite hatte.
»Die
Gesellschaft wird den Besuchen der Damen auf Beechwood ein Ende setzen«,
sagte der Colonel. »Wahrscheinlich war ich zu lange in der Armee. Ich wusste
nicht, dass ein Gentleman seiner Frau und seiner unverheirateten Tochter
gestattet, so viel Zeit im Haus eines unverheirateten Mannes zuzubringen.«
»Seine
Lordschaft hat Lady Charlotte stets an der langen Leine gelassen«, sagte
Kenning. »Wegen damals,
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