Loretta Chase
berufstätiger Mann wären perfekt. Auch ein respektabler Kaufmann –
beispielsweise ein Tuch-, Buch- oder Papierhändler – wäre durchaus annehmbar.
Was die Vermögensverhältnisse anging, so genügte es vollauf, wenn ihrer Tochter
dank der Heirat ihre eigenen Sorgen erspart blieben, und sie nie jene
zermürbenden Gedankenspiele betreiben musste, wie ein kleines, unregelmäßiges
Einkommen sich weit über seine Grenzen hinaus ausreizen ließe.
Wenn alles
gut ging, würde Olivia sich wegen solcher Dinge nie den Kopf zerbrechen müssen.
Doch nichts
würde gut gehen, wenn sie nicht bald in eine bessere Gegend zogen.
Wie kaum
anders zu erwarten,
verlor Lady Ordway keine Zeit, die Kunde von Bathshebas Wingates plötzlichem
Auftauchen in Piccadilly zu verbreiten.
Als
Benedict am frühen Abend in seinen Club ging, war das Thema bereits in aller
Munde.
Dennoch war
er schlecht vorbereitet, als es etwas später am Abend auch in Hargate House zur
Sprache kam.
Er und
Peregrine hatten dort mit Benedicts Eltern, seinem Bruder Rupert und dessen
Frau Daphne zu Abend gegessen.
Als die
Familie sich nach Tisch in der Bibliothek einfand, hörte Benedict zu seiner
Überraschung Peregrine Lord Hargate bitten, sich seine Zeichnungen aus der
Egyptian Hall anzusehen und zu beurteilen, ob sie für einen künftigen
Altertumsforscher hinreichend waren.
Benedict
schlenderte umher, nahm sich scheinbar beiläufig die neueste Ausgabe des
Quarterly Review und begann darin zu blättern.
Lord
Hargate verschwendete nur selten Takt an die Seinen. Und da er – wie auch der
Rest der Carsingtons – Peregrine zur Familie zählte, verschwendete er auch
keinen Takt an den Jungen.
»Diese
Zeichnungen sind erbärmlich«, befand Seine Lordschaft. »Sogar Rupert kann
besser zeichnen, und Rupert ist wahrlich ein Dummkopf.«
Rupert lachte.
»Er tut nur
so, als wäre er einer«, meinte Daphne. »Das ist ein Spiel. Doch obwohl er
wirklich jeden damit zu täuschen vermag, hätte ich nicht gedacht, dass auch Sie
sich von ihm täuschen lassen, Mylord.«
»Er gibt
den Dummkopf so gut, dass es nicht nur gespielt sein kann«, sagte Lord
Hargate. »Dennoch kann er zeichnen, wie es sich für einen Gentleman gehört.
Selbst in Lisles Alter hat er schon Ordentliches zu Papier gebracht.« Er
sah zu Benedict hinüber. »Was hast du dir dabei gedacht, Rathbourne, es so weit
kommen zu lassen? Der Junge braucht einen anständigen Zeichenlehrer.«
»Das hat
sie auch gesagt«, meinte Peregrine. »Sie fand meine Zeichnungen richtig
schlecht. Aber weil sie ein Mädchen ist, war ich mir nicht sicher, ob sie recht
hat.«
»Sie?«, horchte Lady Hargate auf. Ihre dunklen Brauen
schnellten empor, als sie ihren unergründlichen Blick auf Benedict richtete.
Rupert sah
ihn mit derselben fragenden Miene an, doch sein Blick war belustigt. Er und
Benedict kamen äußerlich stark nach ihrer Mutter und sahen – aus der Ferne
betrachtet – auch einander äußerst ähnlich. Die übrigen drei Söhne – Geoffrey,
Alistair und Darius – hatten das goldbraune Haar und die bernsteinfarbenen Augen ihres
Vaters geerbt.
»Ein
kleines Mädchen«, wehrte Benedict ab, derweil sein Herz heftig pochte. »In
der Egyptian
Hall. Sie und Peregrine hatten eine Meinungsverschiedenheit.« Das dürfte
niemanden verwundern, hatte Peregrine doch immerzu und mit jedem
Meinungsverschiedenheiten.
»Ihre Haare
haben dieselbe Farbe wie die von Tante Daphne, sie heißt Olivia, und ihre
Mutter ist Künstlerin«, gab Peregrine Auskunft. »Sie war komisch, aber
ihre Mutter machte einen ganz vernünftigen Eindruck.«
»Ah, die
Mutter war auch da«, sagte Lady Hargate, ihren Blick noch immer auf Benedict
gerichtet.
»Dir ist
nicht zufällig aufgefallen, Benedict, ob die Mama hübsch war?«, bemerkte
Rupert unschuldig.
Benedict
schaute von seinem Quarterly Review auf, seine Miene so ausdruckslos, als wäre
er in Gedanken ganz in die Lektüre vertieft. »Hübsch?«, fragte er. »Das
wäre untertrieben. Ich würde sagen, sie war schön.« Sein Blick wandte sich
wieder dem bedruckten Papier zu. »Lady Ordway kennt sie. Meinte, ihr Name sei
Winshaw. Oder Winston? Vielleicht auch Willoughby.«
»Das
Mädchen hat gesagt, es wäre Wingate«, kam es von Peregrine.
Der Name
schlug in die Bibliothek ein wie ein Meteorit.
In die
bedeutungsvolle Stille hinein meine Lord Hargate: »Wingate? Ein rothaariges
Mädchen? Das kann nur Jack Wingates Tochter sein.«
»Sie müsste
jetzt elf oder zwölf Jahre alt sein«,
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