Loretta Chase
geholt zu haben, und sowohl sie
als auch ihre Mutter wurden allseits freundlich und mit Respekt behandelt.
Er sagte
sich, dass er nicht länger für die beiden verantwortlich wäre.
Anders
verhielt es sich mit Peregrine, dem nun vorrangig seine Aufmerksamkeit gelten
sollte.
Bathsheba
und ihre Tochter teilten sich ein Zimmer, das in einem anderen Teil des
Gästeflügels gelegen war. Lord Lisle, obwohl noch ein Kind, hatte ein eigenes
großes Zimmer bekommen, welches an Benedicts grenzte. Ehe er zu Bett ging, sah
Benedict noch einmal nach dem Jungen, um sich zu vergewissern, dass er wirklich
kein Fieber ausbrütete.
Er fand
seinen Neffen hellwach vor, wie er auf dem Teppich vor dem Kamin saß und in die
Flammen starrte. Als Benedict eintrat, sprang der Junge hastig auf. Sein
Gesicht glühte.
»Du
solltest längst schlafen«, sagte Benedict und setzte sich in einen der
Sessel, die Peregrine verschmäht hatte.
»Es tut mir
leid, Sir«, sagte Peregrine. »Ich konnte nicht schlafen, solange ich mich
nicht dafür entschuldigt hatte, Ihnen so viel Ärger bereitet zu haben. Vorhin,
als all die anderen dabei waren, konnte ich es nicht richtig sagen. Aber wenn
ich die ganze Wahrheit sagen soll, wie ich es mir vorgenommen habe, dann muss
ich sagen, dass dies auch das Einzige ist, was mir leidtut.«
Er straffte
die Schultern und hob das Kinn. »Stünde ich noch einmal
vor der Wahl, würde ich es wahrscheinlich wieder so machen. Ich konnte Olivia
nicht mit Nat Diggerby gehen lassen. Er war ein Trottel, ein richtig rüpeliger
Rabauke, und ich traute ihm nicht über den Weg. Allein konnte ich sie aber auch
nicht fahren lassen. Sie hätte das natürlich sofort gemacht, denn es hat sie
überhaupt nicht gekümmert, was ich gesagt habe oder wie ich es gesagt habe. Ich
versuche nämlich, mit den Leuten immer so zu reden, wie Sie es tun, Sir, aber
die Wirkung ist nicht dieselbe. Niemand hört auf mich. Ich bin kaum mit ihr
fertig geworden. Sie machte einfach, was sie wollte. Womit ich nicht sagen
will, dass sie an allem schuld ist, sondern nur erklären will, wie es wirklich
war.«
Stocksteif
stand er da, als mache er sich auf etwas gefasst.
Darauf,
verletzt zu werden. Zurückgewiesen zu werden.
Mit anderen
Worten, er machte sich auf die übliche Reaktion gefasst.
Er war nie
ein einfaches, gehorsames Kind gewesen. Erwachsene fanden ihn bestenfalls
befremdlich, schlimmstenfalls höchst ärgerlich.
Benedict
hatte sich schon manches Mal gefragt, wie es wohl sein mochte, Peregrine zu
sein.
»Erzähl
mir, was passiert ist«, sagte Benedict. »Von Anfang an.«
Und der
Junge begann zu erzählen, zunächst noch zögerlich, doch dann, als er merkte,
dass sein Onkel zuhörte, nicht urteilte, entspannte er sich und wurde
lebhafter.
Nachdem er
fertig geworden war, schwieg Benedict eine ganze Weile. Er beabsichtigte
keineswegs, den Jungen auf die Folter zu spannen. Ihm fehlten ganz einfach die
Worte. Auch wusste er nur allzu gut, was die letzten paar Tage für Peregrine
bedeutet hatten und warum der Junge bis zum Schluss nicht hatte aufgeben
wollen.
Doch nun
sah er ganz verängstigt drein. Es war nicht nett, ihn unnötig hinzuhalten.
Benedict
räusperte sich. »Ich werde einen Expressbrief an deine Eltern schicken«,
sagte er, »obwohl ich fürchte, dass sie sich mittlerweile schon Sorgen gemacht
haben und auf dem Weg nach London sein dürften. Es lässt sich unmöglich sagen,
was geschehen wird. Die Angelegenheit ist sehr ... kompliziert.«
Und das
dürfte noch eine Untertreibung sein.
Aber
theatralische Szenen gehörten wie gehabt auf die Bühne. Große Leidenschaften
und gebrochene Herzen waren der Stoff, aus dem Melodramen bestanden. Im Leben
eines Gentlemans spielten sie keine Rolle.
Benedict weigerte
sich, auch nur irgendeinen Gedanken an die Befindlichkeit seines Herzens zu
verschwenden. Er würde es ertragen, so wie er auch seine betrübliche Ehe
ertragen hatte. Nichts von alledem betraf Peregrine. Was den Jungen aber
durchaus treffen würde, war der Skandal, der unmittelbar bevorstand.
Es ließ
sich schwer vorhersagen, wie Atherton und seine Gattin reagieren würden.
Benedict bezweifelte, einzig wegen eines Skandals von ihnen fallen gelassen zu
werden. Immerhin waren fast alle ihre Freunde schon in den einen oder anderen
Skandal verwickelt gewesen.
Dennoch
könnten sie es vorziehen, Peregrine nicht unbedingt der Obhut seines Onkels zu
überlassen, solange besagter Onkel das Lieblingsthema der Skandalblätter war
und
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