Loretta Chase
mir
meine erste Saison ermöglicht. Als ich mich in der glücklichen Lage fand,
zwischen verschiedenen annehmbaren Verehrern wählen zu können, riet sie mir zu
Lord Mandeville. Ich habe mich Ihrer Ladyschaft stets zu tiefstem Dank
verpflichtet gefühlt.«
Lady
Northwick seufzte leise, erhob sich mit einer anmutigen Bewegung und ging
hinüber zu Olivia.
»Ich möchte
Lord Hargates Familie nicht in Bedrängnis bringen oder Ihr Verhältnis zu Ihnen
erschweren«, versicherte Bathsheba der älteren Dame mit gesenkter Stimme.
»Hätte Lord Northwick sich nicht so sehr um Olivias Gesundheit besorgt gezeigt,
wären wir bereits gestern abgereist.«
»Wohin
wollen Sie denn gehen?«, fragte Lady Mandeville.
»Auf den
Kontinent.« Es fiel Bathsheba unerwartet schwer, dies zu sagen, ohne dass
ihre Stimme sich brach.
»Herrje,
ich höre Ihren Magen aber ganz gewaltig knurren, Miss Wingate«, meinte
Lady Northwick zu Olivia. »Schwiegermama, wir sollten die beiden nicht länger
von ihrem Frühstück abhalten.«
»Oh, das
eilt nicht«, sagte Olivia, ganz sanft und bescheiden. »Eines der Mädchen
hat mir vorhin eine Tasse heiße Schokolade ans Bett gebracht, auf einem
silbernen Tablett und mit einer Blume darauf. Es war ganz entzückend.«
»Was für
ein reizendes Kind«, meinte Lady Northwick und streichelte Olivias Haar.
»Keineswegs«, entgegnete Bathsheba. »Lassen Sie sich ja nicht von ihr
täuschen.«
»Mama!« Die blauen Augen funkelten erbost.
»Wir
bleiben nicht hier, Olivia«, sagte Bathsheba. »Da kannst du noch so viel
mit den Wimpern klappern und so tun, als wärst du schüchtern und reizend und
könntest kein Wässerchen trüben, aber du verschwendest dein Talent. Wir werden
unverzüglich aufbrechen.«
Sprachlos
sah Lady Northwick erst Olivia an, dann Bathsheba.
»Dies ist
kein reizendes Kind, sondern eine Ungeheuerliche DeLucey«, klärte
Bathsheba sie auf. »Nur damit Sie Bescheid wissen, sollten Sie noch mal einer
begegnen. Hör auf, dich im Spiegel zu bewundern, Olivia. Zeit für deinen
Abgang.«
»Noch nicht«, sagte Lady Mandeville. »Sie und Olivia werden
uns beim Frühstück Gesellschaft leisten. Ich möchte, dass Mandeville sie
kennenlernt.«
»Es ist
furchtbar«,
flüsterte Bathsheba Benedict zu. »Aus dieser Entfernung kann ich sie unmöglich
im Zaum halten. Sie ignoriert jeden meiner Blicke. Oh nein, sieh nur, das ist
jetzt wirklich zu viel des Guten – sie schaut ihn mit einem ihrer großen
blauäugigen Blicke an, als wäre er die Sonne und der Mond und alle
Sterne.« Benedict sah an der langen Tafel hinab und betrachtete Olivia,
die zu Lord Mandevilles Rechten saß und gebannt jedem seiner Worte zu lauschen
schien. »Genauso hast du mich auch angeschaut«, murmelte Benedict. »Und
ich hatte gedacht, du
meinst das ernst.«
»Natürlich
nicht«, entgegnete sie. »Ich wollte dich nur um den Finger
wickeln. Vergiss bitte nicht, dass ich dich allenfalls ganz erträglich finde.
Kannst du verstehen, was sie sagt?«
Vielleicht
weil dies keine bloße Familienzusammenkunft war, wurde ganz standesgemäß im
Speisesaal und nicht im Morgenzimmer gefrühstückt. Dennoch war Benedict
überrascht, als die Countess Olivia rechter Hand von Lord Mandeville
platzierte und Lady Northwick zu seiner Linken, während sie Benedict und
Bathsheba an die andere Seite der Tafel geleitete, um der Gastgeberin
Gesellschaft zu leisten.
Ihre
Gastgeberin unterhielt sich augenblicklich jedoch mit Peregrine, der übrigens
auch sehr beschäftigt damit war, Olivia zu beobachten, obgleich er sich alle
Mühe gab, höflich zu sein. Wenigstens hatte Peter DeLucey, der neben Bathsheba
gesetzt worden war, aufgehört, sie auf diese lächerlich betörte Weise
anzustarren. Stattdessen war sein Blick nun ganz gebannt auf Olivia gerichtet.
Selbst Lord
Northwick ließ Anzeichen der Kapitulation erkennen.
Nun endlich
begriff Benedict, was das Problem war und warum Bathsheba fürchtete, ihre
Tochter könne geradewegs zum Teufel gehen. Olivia war nicht nur ungeheuer
schlau und gerissen – sie besaß zudem eine geradezu magnetische Ausstrahlung.
Diese Kombination barg in der Tat allerlei Gefahren.
Aber das
sollte nicht sein Problem sein, sagte sich Benedict.
»Von hier
aus bekomme ich lediglich mit, dass sie sich große Mühe gibt, leise, sanft und
schüchtern zu sprechen«, sagte er. »Es ist aussichtslos, ihr die Worte von
den Lippen ablesen zu wollen, weil sie ihren Kopf gesenkt hält, damit die
Gentlemen sich ihr zuneigen müssen,
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