Loretta Chase
verderben
lassen. Es ist schön da, und nicht alle Schotten sind so grantig, wie es immer
heißt.«
»Was du da
vorschlägst, ist Fälschung«, flüsterte Peregrine. »Das ist ein
Kapitalverbrechen. Dafür kannst du gehängt werden!«
»Soll ich
dir also nicht mehr schreiben?«, fragte sie gleichgültig.
»Das wäre
vielleicht das Beste.«
»Da hast du
vielleicht recht. Ich werde die Details dann eben ganz allein herausfinden
müssen.«
Peregrine
wusste, dass er nicht fragen sollte, aber es war ihm unmöglich. Nicht mal eine
Minute hielt er durch, bis die Frage aus ihm herausplatzte: »Was für Details?
Worüber?«
Ȇber meine
Schatzsuche«, klärte sie ihn auf.
»Welche
Schatzsuche?«, fragte er. »Du kannst nicht Ritter werden, bevor du nicht
erwachsen bist.«
Er war
weitaus belehrbarer, als sein Onkel dachte. Peregrine würde nicht noch einmal den
Fehler machen, ihr zu sagen, dass sie überhaupt nie Ritter werden konnte. Dann
würde sie nur wieder die Beherrschung verlieren und furchtbar wütend werden. Er
hatte zwar keine Angst, dass sie ihm wehtun könnte, aber er fürchtete, sie
könnten Aufsehen erregen und einen Aufruhr verursachen. Ein solcher Zwischenfall
könnte dazu führen, dass ihm seine wenigen noch verbliebenen Zeichenstunden
gestrichen und sich somit in gar keine Zeichenstunden mehr verwandeln würden.
»Ach, wenn
ich nur endlich erwachsen wäre!«, seufzte sie. »Wenn du fort bist, können
Mama und ich wieder von vorne anfangen. Allein mit dem Zeichenunterricht werden
wir es nie zu irgendetwas bringen. Deshalb muss ich die Sache selbst in die
Hand nehmen und den Schatz finden.«
Im Laufe
einiger heimlicher Briefe hatte Peregrine in erschreckender Ausführlichkeit
erfahren, warum Olivia und ihre Mutter Aussätzige und Ausgestoßene waren. Er
wusste nun auch, dass der Familienfluch eine berühmt-berüchtigte Reputation
war. Die Ungeheuerlichen DeLuceys machten ihrem schlechten Ruf alle Ehre, hatte
Olivia vergnügt zugegeben – alle außer ihrer Mutter, die ziemlich aus der Art
schlug und ganz anders war als all die anderen Ungeheuerlichen DeLuceys. Fast
schien es, als finde Olivia ihre Mutter viel zu ehrlich und anständig und
bedauere dies sehr.
Sollte es
sich bei Olivia schon um ein abgeschwächtes Exemplar der DeLuceys handeln, so
dachte Peregrine, musste »Ungeheuerlich« eine ziemliche Untertreibung
sein.
Sie hatte
ihre Briefe mit zahlreichen Verweisen auf diesen oder jenen verschlagenen
Verwandten ausgeschmückt. Einen Schatz hingegen hatte sie nie zuvor erwähnt.
»Was für ein Schatz?«, fragte er, denn er konnte einfach nicht anders.
»Edmund
DeLuceys Schatz«, klärte sie ihn auf. »Du weißt schon – mein
Ururgroßvater, der Pirat. Ich weiß, wo er ihn versteckt hat.«
Am
Samstagmorgen brach Bathsheba
zuversichtlicher Stimmung und mit einer Liste möglicher Unterkünfte auf.
Der Reihe
nach arbeitete sie den Soho Square ab, bevor sie sich den vom Platz abgehenden
Nebenstraßen widmete.
Derweil
wurde der Tag, der so mild und klar begonnen hatte, zusehends unerfreulicher.
Am frühen Nachmittag kühlte auffrischender Wind die Temperatur empfindlich ab,
und düstere graue Wolken schoben sich vor die Sonne. Etwas später am Nachmittag
legte der Wind erheblich zu, und die Wolken verfinsterten sich ebenso wie
Bathshebas Laune.
Zudem
stellte sich heraus, dass die Wohnungen, die sie sich in Soho leisten konnte,
noch schäbiger und beengter waren als jene, die sie derzeit bewohnte. Im
Bleeding Heart Yard hatten sich manche der heruntergekommenen Häuser zumindest
ein klein bisschen alter Größe und alten Glanzes bewahrt. Nicht alle der
herrschaftlich großen Zimmer waren in immer kleinere und engere Kammern
unterteilt worden, wie es in Soho der Fall war.
Im Grunde
war die Gegend zwar recht respektabel, grenzte aber – ähnlich wie das Viertel,
in dem sie derzeit lebte – unmittelbar an elende und verwahrloste Straßenzüge.
Nur wenige Fußminuten
vom Soho Square entfernt lag St. Giles, ein berüchtigter Slum.
Kurzum:
Bathsheba hatte einen ganzen Samstag unnütz vertan. Statt sich auf ein neues
Zuhause freuen zu können, stand ihr nun die wenig erfreuliche Aussicht bevor,
weitere wertvolle Stunden auf eine Suche zu verschwenden, die ihr langsam
ohnehin vergeblich schien.
Dank Lord
Lisles geradezu lächerlich teurer Zeichenstunden hatten sich ihre Finanzen zwar
merklich verbessert, doch sie fürchtete, dass es dennoch nicht ausreichen
würde, um ihre Lebensumstände
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