Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Loretta Chase

Loretta Chase

Titel: Loretta Chase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein skandalös perfekter Lord
Vom Netzwerk:
nennenswert zu verändern.
    London
erwies sich um einiges teurer als erwartet. Nicht zum ersten Male fragte sie
sich, ob es vielleicht ein Fehler gewesen war, hierherzukommen. In Dublin lebte
es sich billiger und netter.
    Aber Irland
war ärmer, und dort als Künstlerin Arbeit zu finden, war noch schwieriger
gewesen als hier in London. Auch eine gute, bezahlbare Schule für Olivia war in
London einfacher zu finden.
    Nicht
einmal ein Jahr hatte Miss Smithson aus der New Ormond Street gebraucht, um
auch die letzten Spuren von Olivias irischem Akzent zu tilgen. Jetzt sprach
sie, wie es sich für eine junge Dame gehörte. Überhaupt war Olivia in der
Schule, inmitten ihrer Klassenkameradinnen und unter dem strengen Blick von
Miss Smithson, ein Musterbeispiel damenhaften Betragens. Nur leider war sie,
wie so viele ihrer Verwandten mütterlicherseits, ein wahres Chamäleon und
passte sich mit erschreckender Wendigkeit ihrer jeweiligen Umgebung an.
Außerhalb der Schule, unter Menschen niederen Standes, war sie kaum
wiederzuerkennen. Und diese Wandlung gereichte ihr wirklich nicht zum Vorteil,
fand Bathsheba.
    Kehrten sie
nach Irland zurück, wäre dies ihrer Entwicklung kaum zuträglich.
    London
hingegen bot zahlreiche Möglichkeiten. Nur waren die nicht gerade billig zu
haben. Oder überhaupt zu haben.
    Heute
schien London es mit Bathsheba Wingate gar nicht gut zu meinen.
    Höchste
Zeit, es für heute aufzugeben und nach Hause zu gehen.
    Als sie
Meard's Court hinablief, begannen die ersten Regentropfen zu fallen. Bathsheba
war Regen und Kälte gewohnt, aber heute, an Körper und Geist erschöpft, setzte
das Wetter ihr zu. Kurze Zeit später schon prasselte der Regen stetig auf ihre
Haube und durch den Umhang auf ihre Schultern. Und so bald würde es nicht
aufhören, dachte sie mit einem missmutigen Blick auf die bedrohlich schwarzen
Wolken. Bis sie zu Hause wäre, würde sie bis auf die Haut durchnässt sein.
    An der Ecke
von Dean Street angelangt, ertappte sie sich dabei, einen sehnsüchtigen Blick
südwärts gen St. Anne's Church zu werfen. Vor der Kirche war ein
Droschkenstand.
    Aber wenn
sie sich eine Droschkenfahrt leistete, würde sie am Abendessen sparen müssen.
    Also schlug
sie sich diese kleine Extravaganz aus dem Kopf und eilte über die Dean Street.
Hätte sie geradeaus geschaut, statt den Blick abwechselnd nach links und rechts
schweifen zu lassen, wäre sie vielleicht überfahren worden, denn der Regen fiel
nun so dicht, dass er sich wie ein grauer Schleier über die Straße legte und
Passanten nur noch als dunkle Schemen auszumachen waren. Also schaute sie nicht
geradeaus, sondern hielt nach vorbeifahrenden Kutschen und Fuhrkarren Ausschau,
was sehr vernünftig war, wollte sie doch nicht überfahren werden.
    Und so kam
es, dass sie geradewegs in den Mann auf dem Gehsteig rannte.
    Sie hörte
ihn leise ächzen und spürte, wie er taumelnd das Gleichgewicht verlor. Rasch
packte sie seinen Rock mit beiden Händen,
damit er nicht falle. Besonders intelligent war das natürlich nicht, doch sie
handelte rein instinktiv. Ihr Verstand brauchte einen Moment, um ihr bewusst zu
machen, dass der Mann ja größer und schwerer war als sie und sie mit sich zu
Fall bringen würde, sollte er stürzen.
    Doch so
weit sollte es nicht kommen, denn kaum hatte sie es gedacht, hatte er sich auch
schon wieder gefangen.
    »Oh, bitte
entschuldigen Sie vielmals«, sagte sie und ließ seinen Rock los. Aus
mütterlicher Gewohnheit strich sie sorgsam das Revers glatt, wo ihre
zupackenden Hände es in Unordnung gebracht hatten. »Ich habe Sie nicht gesehen
...«
    Das war der
Augenblick, in dem sie den Kopf hob und endlich sah, wen sie vor sich hatte.
Regen nieselte ihr ins Gesicht, und das Tageslicht hatte sich mittlerweile so
gut wie verflüchtigt, doch erkannte sie unschwer die pechschwarzen Augen und
die noble Nase wieder und den festen Mund mit seinem provozierenden Versprechen
eines Lächelns, das sich andeutete, aber selten zeigte.
    Sie stand
da und starrte ihn an, eine Hand sank langsam hinab, die andere ließ sie auf
seinem Rock ruhen.
    »Ich bin
es, der sich bei Ihnen zu entschuldigen hat«, sagte Lord Rathbourne. »Ich
scheine mir die verdrießliche Angewohnheit zu eigen gemacht zu haben, Ihnen im
Wege zu stehen.«
    »Ich habe
Sie nicht gesehen«, wiederholte sie und zog hastig ihre Hand zurück.
Konnte sie ihm nicht einmal, nur ein einziges Mal, auf zivilisierte oder gar
anmutige Weise begegnen? Die Peinlichkeit der Situation

Weitere Kostenlose Bücher