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Lorettas letzter Vorhang

Lorettas letzter Vorhang

Titel: Lorettas letzter Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Podest im Tanzsaal hatten die Musiker schon ihre Instrumente ausgepackt, gerade klappte einer das Spinett auf, und der Ton, den er leicht und prüfend anschlug, ging im Gemurmel und Gelächter der Gäste unter. Bocholt war kein Freund von Musik außerhalb der Kirchen, und er fand diese neue Mode, die Gäste nun auch im heimischen Salon damit aufzuhalten, äußerst lästig. Mit gerunzelter Stirn zählte er vier Violinen, eine Bratsche, ein Cello und zwei Oboen, und nun schleppte noch ein zierlicher Mann, dem man das Spiel auf dem großen Instrument kaum zutraute, seinen Kontrabaß auf das Podest.
    Aber das war es nicht, was ihm gerade aufgefallen war. Er hatte nun schon den sechsten Kattunmanufakteur gesehen, und soviel er wußte, gehörte keiner von ihnen zu Claes Herrmanns’ Freunden oder engen Handelspartnern. Natürlich handelte Herrmanns auch mit Kattun, wer tat das nicht, aber es war für ihn doch eher ein Nebengeschäft. Und Bellham, dieser Engländer, der seit Wochen in der Stadt herumlief und, wie er erst gestern wieder gehört hatte, mit den Kattundruckereien verhandelte, wurde auch noch erwartet.
    Mrs.   Bellham war mit den Matthews gekommen, just vor ihm die Treppe zum Salon hinaufgegangen, und hatte die Verspätung ihres Gatten mit einem Gespräch mit dem Court Master der Merchant Adventurers entschuldigt. Es sei leider unaufschiebbar, da Mr.   Bellham morgen in aller Frühe die Elbe hinab nach Glückstadt abreise.
    Er mußte unbedingt mit Herrmanns reden. Tabak! Tabak war doch das Geschäft der Zukunft. Hatte er es ihm nicht neulich erst in Jensens Kaffeehaus gesagt?
    Im Rauchsalon herrschte schon dicke Luft, obwohl es nicht Sitte war, auf Gesellschaften schon vor dem Essen zu rauchen. Aber die Sitten, fand Bocholt, änderten sich ganz allgemein schneller, als er gutheißen konnte.
    «Das ist doch ein völlig unsinniges Unternehmen», rief Meistermann gerade und stieß heftig Rauch aus. Er war mit ungarischem Kupfer, holländischen Ziegeln und schlesischem Leinen reich geworden und mißtraute allem, was man nicht anfassen und auf einen Wagen oder ein Schiff laden konnte. «Wie soll das funktionieren? Und haben wir nicht genug Kraft von unseren Mühlen?»
    «Kraft haben wir nie genug», sagte Schwarzbach, der die Nervosität über die Einladung in dieses noble Haus endlich überwunden hatte. «Und es ist doch bedenkenswert.»
    «Mumpitz ist das», warf Klöber mit behäbiger Selbstgewißheit ein. Er war einer der schärfsten Konkurrenten Schwarzbachs, seit der seinerzeit bei der Versteigerung der Blankschen Manufaktur den Zuschlag bekommen hatte, und nutzte jede Gelegenheit, ihn zu ärgern.
    «Mumpitz. Ein Kraftwerk in der Elbe ist nicht zu machen. Ein Bach fließt immer in eine Richtung, das dreht das Wasserrad verläßlich und gibt Kraft. Aber Ebbe und Flut, alle paar Stunden hin und her, wie soll das gehen? Und wie soll man die Kraft dann auf eine Maschine übertragen? Ist doch ständig alles unter Wasser.»
    «Warum denn nicht?» rief nun ein anderer, den Bocholt nicht kannte, wahrscheinlich noch so ein Kattunmanufakteur. «Wind geht auch immer hin und her, und die Windmühlen tun doch die beste Arbeit. Oder etwa nicht?»
    Darauf konnte Klöber nur unbestimmt knurren. «Trotzdem», sagte er dann und reckte dem anderen seine spitze feuerrote Nase entgegen, «es ist ja auch ständig Hochwasser. Oder Sturm und starke Flut von Herbst bis Frühjahr. Das spült so ein Ding einfach weg. Das bringt nichts, das kostet nur.»
    Von dieser Art, Kraft zu erzeugen, hatte Bocholt noch nie gehört. Aber auch wenn Klöber es als Mumpitz abtat, war es doch bedenkenswert.
    «Wenn Ihr erlaubt.» Eines der Mädchen, Bocholt glaubte in ihr die Faulenzerin aus dem Saal wiederzuerkennen, stand mit höflich gebeugtem Kopf hinter ihm und wollte vorbeigelassen werden. Auf dem Tisch, um den die über das seltsame Kraftgerät streitenden Männer sich versammelt hatten, war eine ganze Reihe leerer Gläser zurückgeblieben, und auf einer irdenen Schale lagen die kokeligen Reste der Fidibusse, mit denen zwei der Männer sich lange Pfeifen angezündet hatten.
    Bocholt trat einen halben Schritt zur Seite, und sie begann, ihr Tablett zu beladen. Bocholt selbst hätte in der Zeit fünf Tabletts gefüllt. Sie mußte eine sein, die sonst nur die niederen Arbeiten in der Küche verrichtete. Knicksend und mit noch demütiger gebeugtem Kopf schob das Mädchen sich mit dem endlich gefüllten Tablett wieder an ihm vorbei. Immerhin, für

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