Loriot - Biographie
»Ratgeber-Zeichnungen«, die allerdings auch immer wieder Leserbriefschreiber zum Protest animierten, so schon bei »Auf den Hund gekommen«.
Am 24. Juni 1958 schrieb ein Leser: »Wieso kommt ein Künstler, der doch ein gewisses Maß von Allgemeinbildung besitzen muß, dazu, den Menschen, die Krone der Schöpfung, in solch unbeholfener Form darzustellen? Soweit es mich betrifft, so protestiere ich gegen die Zumutung, mir solche Bilder vorzusetzen und solchen Text zum Lesen anzubieten.« [79]
Am 7. Februar 1959 ein anderer: »… Seit Jahr und Tag ärgere ich mich über Ihren Zeichner Loriot, und wahrscheinlich nicht nur ich allein! Ich kann die gezeichneten gnomhaften Dutzendgesichter nach Schema F, die ebenso gequält wie seelisch geschädigt aussehen und auch so empfunden werden, nicht mehr sehen! Ein Vorschlag zur Güte: Lassen Sie die für Herrn Loriot vorgesehenen Seiten leer – zur Freude vieler!« [80]
Es waren Einzelmeinungen. Denn es erschien eine ganze Reihe von Ratgeber-Büchern in den folgenden Jahren im Diogenes Verlag und sie alle verkauften sich prächtig – teilweise bis heute. Es waren jeweils gesammelte Zeichnungen, die vorher bei seinen Geldgebern Quick und Weltbild erschienen waren. 1957 kam Der gute Ton. Das Handbuch der feinen Lebensart auf den Markt, ein Jahr später dann Der Weg zum Erfolg. Ein erschöpfender Ratgeber in Wort und Bild . Und in diesem Tempo ging es weiter, alle ein bis zwei Jahre erschien ein Sammelband: Wahre Geschichten. Erlogen von Loriot (1959), Für den Fall. Der neuzeitliche Helfer in schwierigen Lebenslagen (1960), Umgang mit Tieren (1962), Der gute Geschmack. Erlesene Rezepte für Küche und Karriere (1964), Neue Lebenskunst in Wort und Bild (1966) und schließlich Loriots großer Ratgeber (1968). Rund eine Million Bücher sollte er bis Anfang der 1970er-Jahre bereits verkauft haben.
Der Germanist Stefan Neumann fasste das in seiner Dissertation über Loriot so nüchtern wie treffend zusammen, wenn er schrieb, dass Loriot zu dieser Zeit seinen Stil verfeinerte und gleichzeitig immer größere Erfolge feierte. Zum 31. Dezember 1970 kündigte er die Zusammenarbeit mit dem Thomas Martens Verlag und damit mit Quick und Weltbild . Denn längst war sein berufliches Schaffen in eine neue Dimension, in ein neues Medium eingetreten: das Fernsehen.
6. Fernsehshows
Telecabinet
Unter dem Titel Loriots Telecabinet lief schon am 26. März 1972 eine Cartoon -Sonderausgabe im SDR. Sie war eigens für den Wettbewerb der »Goldenen Rose von Montreux« produziert worden. Darin verwendete Vicco von Bülow einige schon gesendete Sketche wie den »Astronaut« mit Heinz Meier oder den »Blinden Autofahrer«. Nach Ende der Cartoon -Reihe mit der 21. Ausgabe am 25. Dezember 1972 gab es fast zwei Jahre später noch eine weitere Sonderausgabe unter dem Titel Loriots Telecabinet . Sie wurde am 13. November 1974 gesendet. In ihr nahm er das frisch erblühende Genre der Talkshow aufs Korn. Er interviewte als sein fahriger Alter Ego Viktor Schmoller die britische Queen, den Rennfahrer Bob Riedelberger, eine Operndiva namens Gloria Miranda, den Benimm-Experten Dr. Dattelmann und einen tauben Musiker. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung , sonst nicht als Freundin der leichteren Unterhaltung bekannt, lobte überschwänglich, die Sendung sei, »seit langem der stärkste und so ziemlich auch der einzige Beweis, daß das deutsche Fernsehen doch etwas mit Komik zu tun haben kann.« [100]
Ursprünglich war wohl geplant, dass aus dem Telecabinet eine Reihe werden könnte. Es blieb aber ein Versuch. Immerhin einer, der die intellektuelle Presse begeisterte. Die Zeit hatte Loriot bei der Arbeit beobachtet. »Sobald die Tränen getrocknet sind, man tief atmet, merkt man, was die unterhaltsamen bitteren Späße offenbaren sollen: die zu Sprache gewordenen Schludrigkeiten des Denkens, ›diese vielen Deutsche, das Amts- Polizei-, Katalog-Deutsch‹, die Plattitüden, ›die abgegriffenen, hohl gewordenen Vokabeln und Bilder‹. (…) Loriot will ›nicht auf das Publikum gucken, aber doch für das Publikum arbeiten‹. Er sagt: ›Man muß riskieren, daß es nicht allen gefällt‹ – eine Devise, die in Richtung Fernsehen gesprochen ist und seinem von Indexzahlungen aufgeweichten Terrain der Unterhaltung.« [101] Deutlich wird an dieser Sendung auch die von Loriot immer weiter perfektionierte Art seines Humors. Schon immer vertrat er den Standpunkt, es sei besser, den Zuschauer sanft anzulocken, als
Weitere Kostenlose Bücher