Loriot - Biographie
wie der »Lottogewinner« gezeichnet. Die Wirkung wäre verpufft.
Die richtige Technik setzte Vicco von Bülow auch beim Sketch »Flugessen« ein. Technik und besonders großen Aufwand. Um die Umständlichkeit zu zeigen, die schon in den billigflugfreien 1970er-Jahren das Einnehmen einer Mahlzeit im Flugzeug (bei versuchter Beibehaltung jeglicher Haltung und Höflichkeit) mit sich brachte, wurde ein halbes Flugzeug in den Bremer Fernsehstudios aufgebaut. Der TV-Kritiker der Zeit nahm die fünfte Sendung, in der unter anderem dieses wilde Hantieren mit Lebensmitteln zu sehen war, einen Höhepunkt unter vielen großartigen Sendungen zum Anlass, den Loriot’schen Humor semi-wissenschaftlich zu analysieren: »Was immer er seine Personen, und sich selbst voran tun läßt – entscheidend ist, daß sie unangemessen, nicht ›normal‹ (…) reagieren: unfähig, sich auf die Lage mit ihren speziellen Anforderungen einzustellen. Einerlei, ob da einer im Flugzeug Rilke zitiert (…), während ein anderer sich über die Schönheiten des Kasseler Schwimmbads verbreitet; einerlei, ob zwei Männer, die versehentlich in der gleichen Hotelbadewanne sitzen, sich aufführen, als gelte es, eine Tischkonversation dem akademischen Komment entsprechend über die Runden zu bringen. (…) Immer geht es um die Entwicklung von Situationen, in denen sich Menschen unangemessen, maschinell und damit komisch verhalten. Ihr Körper und ihre Rede sind gleichsam ›für sich‹; Gestik, Mimik und Sprache wirken sperrig; die Glieder proben den Aufstand gegen das eigentlich von ihnen Verlangte.« [116]
Kritisiert wurde allerdings, dass Loriot einige seiner Sketche und damit den Witz samt Pointe doch sehr in die Länge zog, schon in den fernseh-ruhigen 1970er-Jahren fiel diese Langsamkeit auf. Dennoch blieb der Grundtenor ein begeisterter.
LORIOT VI
Die letzte Folge der zweiten (und letzten) Fernsehreihe von Vicco von Bülow setzte noch einmal einige Höhe- und Glanzpunkte. Hier versammelte er legendäre Sketche wie den »Kosakenzipfel«, »Die Jodelschule« und allen voran »Weihnachten bei Hoppenstedts« und »Vertreterbesuch«.
Letzterer wurde, wie so viele andere Sketche, durch einen entscheidenden Satz zum Kulturgut. In diesem Fall war es: »Es saugt und bläst der Heinzelmann …« Jener gleichnamige Staubsauger wurde von Rudolf Kowalski an die Frau gebracht, einem damals gerade 30 Jahre alten Bochumer Jungschauspieler, der hier seine ersten Fernsehauftritte absolvierte. Zwei Tage vor Drehbeginn brach er sich den rechten Arm und musste Gips tragen. Woraufhin Vicco von Bülow die Sketche umschrieb und kurzerhand den Einhandstaubsauger erfand.
Kowalski war auch Jahrzehnte später noch angetan von seiner Arbeit mit dem großen Komiker. »Ich durfte bei Loriot mitspielen. Vom ersten bis zum letzten Drehtag, akribisch, höflich und humorvoll. Ein Herr. Ein großzügiger Mensch, der durch den Feinkostladen läuft und seinen Mitarbeitern Delikatesspakete zusammenstellt. Ein Regisseur, der keine Schludereien duldet, keine Halbheiten. Präzision und ein untrügliches Gefühl für Timing und Maß. Nie zuviel, nie zuwenig. Wehe, wenn er vorspielte, weil: DAS kannst du niemals! Aber du hörst genau: DAS ist der richtige Ton, kein anderer, kein halber drunter, kein Viertel darüber, nur dieser Ton ist richtig, dieser eine Ausdruck, kein anderer.« [117]
Einen großen Raum innerhalb der Folge, die ja im Advent 1978 gesendet wurde, nahm »Weihnachten bei Hoppenstedts« ein, immerhin 25 Minuten und damit über die Hälfte der Sendezeit. Zu dem altbekannten Ensemble mit Heinz Meier und Evelyn Hamann als Eheleute Hoppenstedt und den zum Greis geschminkten Loriot als Opa Hoppenstedt (»Früher war mehr Lametta!«), hatte die Redaktion im Vorfeld der Sendung die Aufgabe gehabt, einen Darsteller (oder eine Darstellerin) für die Rolle des Kindes »Dickie« zu finden. Zu den Kandidaten zählte auch ein gewisser Hans-Peter Kerkeling, der aber nicht genommen wurde. Der dafür aber später eine ungleich größere Karriere machte als Katja Bogdanski, die schließlich die Rolle bekam. Von vornherein ließ es Loriot offen, ob Dickie denn nun ein Junge sei oder ein Mädchen, die damals sieben Jahre alte Schülerin jedenfalls ist im Sketch nicht eindeutig zu identifizieren. »Dickie war kein Er oder Sie, sondern ein Es – mit dickem Bäuchlein in zu engen Hosen«, sagt Katja Bogdanski. [118]
Sie wurde dem Redaktionsteam vom Hausmeister der Bassener Grundschule in
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