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Loriot - Biographie

Loriot - Biographie

Titel: Loriot - Biographie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Lobenbrett
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mit: Das Ei ist zu hart dafür, daß es viereinhalb Minuten gekocht haben könnte: Kooperativitätsprinzip und Relevanzmaxime sind eingehalten.
    SIE antwortet: ›Ich koche es aber jeden Morgen viereinhalb Minuten!‹ Wieder verletzt SIE die Wahrhaftigkeitsmaxime, indem SIE einen falschen Kausalzusammenhang herstellt, etwa so: Ich koche das Ei jeden Morgen viereinhalb Minuten. Wenn ich das Ei jeden Morgen viereinhalb Minuten koche, dann habe ich es auch heute getan. Also ist das Ei nicht hart. Auch die Relevanzmaxime ist verletzt. Es interessiert ja nicht, was sonst geschieht, sondern was heute geschehen ist, also nicht die Gepflogenheit, sondern der aktuelle Vorgang.
    Wieder weicht ER nicht aus. ER hat allerdings auch nichts zu verteidigen. SIE ist die Angegriffene. Und so kann er gut auf seinem Thema bestehen und sich mit seiner Frage gegen die Darstellung falscher Kausalzusammenhänge wenden. Da er Verständigung, warum auch immer, sucht, muß man ihm die Einhaltung des Kooperativitätsprinzips bescheinigen.
    Als letzte Äußerung will ich ihre Replik darauf betrachten. SIE sagt: ›Ich weiß es nicht … ich bin kein Huhn!‹ Der erste Teil der Antwort könnte Kooperativität vermuten lassen. Hier wird etwas zugegeben. Der zweite Teil hebt das jedoch auf. Wieder wird ein falscher Kausalzusammenhang hergestellt, den man in der folgenden Weise ausdrücken könnte: Um zu wissen, wie lange ein Ei gekocht werden muß, muß man kein Huhn sein.« [112]
    Auch maskentechnisch kam Vicco von Bülow immer mehr in Fahrt. Er entstellte sich sogar für einen guten Witz. Etwa beim Sketch »Das Filmmonster«, in dem die Interviewerin den Schauspieler Vic Dornberger für dessen furchterregende Maske lobt, der aber nur verblüfft dreinblickt und sagt: »Maske, welche Maske?« Mit dem Einsatz von Gebissen allein sorgte von Bülow für Entfremdung, etwa auch beim Sketch »Die Nudel«, einem weiteren der Top-Ten-Loriot-Sketche, der ebenfalls in Sendung III erstmals gezeigt wurde. Auch da hat der Galan, der sich so irrwitzig eine Nudel durchs Gesicht schiebt, einen leichten Überbiss, was verbunden mit der Nudel und seiner durchgängigen Ernsthaftigkeit (»Hildegard, ich liebe Sie«) für weitere Komik sorgt.
    »Ich hatte drei verschiedene Gebisse – für die verschiedensten Sketche«, erzählte Loriot einmal in einem Interview. »Das erste bestand aus zwei überdimensionierten Hauern, vorne oben, das zweite war nur ein unregelmäßiges Gebiß, das etwas schräg im Mund saß, das dritte waren Zähne, die ein bißchen in Richtung Jerry Lewis gingen. Ich sprach darüber sehr genau mit einem Zahnarzt, der sehr gute Sachen machte, die ich mir dann in den Mund stecken konnte.« [113] Doch nicht nur das Gebiss und das planmäßige Verschieben der arglosen Teigware sorgte für den von Loriot gewünschten Effekt, es war auch eine schauspielerische Topleistung von Evelyn Hamann, obwohl sie kaum Mimik zeigte und noch weniger sagte. Ihre Art der starren Schockiertheit machte den etwas nervigen Liebhaber erst lächerlich.
    Für Schriftsteller Patrick Süskind war der Sketch ein herausragendes Beispiel für Loriots Komik und den Genius darin. »Gleichwohl wüßte ich niemanden, der in der Lage wäre, diese Beobachtung, diese Idee, diesen Einfall – oder wie immer man es nennen will – zu einer so hinreißend komischen Szene zu steigern, wie es Loriot im Spaghetti-Sketch gelingt, nicht nur indem er den Speiserest – ein Stückchen Nudel im Mundwinkel eines Herrn – konterkariert durch eine Liebeserklärung, die der nämliche Herr an die ihm gegenübersitzende Dame richtet, sondern indem er, gleich zu Beginn der Szene, das widrige Nudelstückchen durch eine Bemerkung der Dame (»Sie haben da was am Mund …«) und ein Serviettenwischen des Herrn scheinbar endgültig aus dem Spiel schafft, um es freilich sogleich wieder durch eine erneute Ungeschicklichkeit des Herrn auf dessen Oberlippe zu plazieren, mit dem Ergebnis – und ich kann diesen Kunstgriff gar nicht genug bewundern –, daß die schon einmal inkriminierte Nudel von nun an nicht mehr zur Sprache gebracht werden kann, sich von einem nebensächlichen, allenfalls lächerlich-ekligen Detail zu einem zentralen, anstößigen Accessoire verwandelt, das zum wachsenden Entsetzen der Dame und zum Vergnügen des Zuschauers, auf die groteskeste, dabei aber glaubwürdige Weise durch allerlei Zufälligkeiten bewegt, von der Lippe zum Auge, von dort zur Nase, zum Kinn und zum Zeigefinger des

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