Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Loriot - Biographie

Loriot - Biographie

Titel: Loriot - Biographie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Lobenbrett
Vom Netzwerk:
Sturz auf den Tisch hätte mich ein schwerer Leuchter fast enthauptet. Ein Finale von fraglichem Unterhaltungswert.« [108]

LORIOT III
    Nach den ersten beiden Folgen, beide gesendet im Jahr 1976, folgte die erste kleine Zäsur. Bis dato war Jürgen Breest lediglich mit organisatorischen Aufgaben, nicht aber kreativ dabei gewesen. Nun bat ihn Vicco von Bülow erstmals zu einem zweiwöchigen Brainstorming nach Schloss Elmau. Nicht gänzlich entspannt, wenn auch geschmeichelt wusste er, dass er direkter Partner von Loriot werden sollte. Er stimmte zu – und erlebte im Folgenden eine der aufregendsten Phasen seiner Laufbahn. Schloss Elmau kann als Brutstätte vieler heute legendärer Sketche, Charaktere und Zitate gelten, denn hierhin zog sich von Bülow öfter zurück. Er schrieb an diesem Ort unzählige Dialoge und Drehbücher.
    Am Fuße des Wettersteins, nahe Garmisch-Partenkirchen, wo er sich gern ins »Fürstenzimmer«, Zimmer 219, einmietete, mit dem Schreibtisch im Erker, von dem aus er einen herrlichen Blick auf die Wettersteinwand hatte. Dieses Hotel wird gern als »Zauberberg-Ersatz« bezeichnet, für all jene, die nicht krank sind, aber sanatoriumsartige Ruhe suchen. Mit seinem verstaubten Ambiente, das es vor dem Umbau nach einem Brand von 2005 noch hatte, erklären sich sicher viele von Loriots Figuren. »Hier saßen die Herren Müller-Lüdenscheid und Dr. Klöbner sozusagen in der Badewanne« [109] , schrieb zu Recht das Manager Magazin . Keine Neuigkeit ist es, dass Loriots Komik auf der genauen Beobachtung seiner Mitmenschen fußt. Da Schloss Elmau viele ungewöhnliche und faszinierende Leute anzog, konnte er sich dort intensiv umschauen und sein Personal vervollständigen.
    Die Tage mit Loriot vergingen für Breest mit anregenden Gesprächen und Gedanken. »Wir wurden zu fantasierenden Kindern, ließen uns treiben nach dem Motto ›Was könnte man aus dieser oder jener Situation machen?‹ Dabei ging es nicht immer ernst zu, oft waren wir übermütig bis zur Albernheit. Zu Spaziergängen war Loriot selten zu überreden, die machte ich allein, während er sich in sein Zimmer zurückzog, um aus unserem ›Spinnereien‹ konkrete Sketche zu entwickeln« [110] , berichtete der Redaktionsleiter. So wie Loriot seinen Schauspielern Perfektion bis zur Schmerzgrenze abnötigte, so verlangte er auch von den Mitarbeitern hinter der Kamera das Äußerste. Immer mussten den ersten und zweiten Entwürfen weitere folgen, stets wurde alles bereits Erarbeitete noch einmal neu durchdacht und perfektioniert.
    Ein wichtiger Faktor war dabei die Erstrezension innerhalb der Familie, allen voran durch Ehefrau Romi. »Die Bülow’sche Humorwerkstatt hat man sich zweifellos als eine Art ›joint venture‹ vorzustellen«, fand die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung heraus. »Er las ihr vor, sie nickte ab, was gefiel, und kommentierte, was nachgebessert gehörte. Seine gern als Perfektionismus verbrämte Pedanterie, sein Arbeitseifer, Auftragsärger, Auftragsfreude, Verzweiflung, weil er nie nein sagen konnte und kann, all das gehörte zu den Szenen dieser Ehe.« [111] Die Gattin des Humoristen war ohnehin eine wichtige Instanz, denn vieles, was Loriot so gekonnt zu Sketchen vernudelte, entsprang tatsächlich dem Familienleben der Eheleute Vicco und Romi von Bülow. Wer mag da nicht an das Viereinhalbminuten-Ei oder den Staubsaugervertreter denken.
    »Das Frühstücksei«, Teil 1 der Trilogie Szenen einer Ehe , jenem Trickfilm-Sketch eines Ehepaares am Frühstückstisch, der mit der einfachen Feststellung »Das Ei ist hart« beginnt und in der ultimativen Drohung »Ich bringe sie um, morgen bringe ich sie um!« endet, zeigt dabei derart ausgefeilt das totale Scheitern menschlicher Kommunikation, dass es gar in psychologischen und germanistischen Exkursen und Lehrbüchern Einzug gehalten halt. Exemplarisch soll hier ein kleiner Auszug aus einem Beitrag von Ulla Fix mit dem Titel »Der Umgang mit den Griceschen Konversationsmaximen in dem Dialog ›Das Ei‹ von Loriot« zitiert werden. Die genannten Maximen nach Paul Grice lauten hierbei in Kurzform: Quantität (Sei informativ!), Qualität (Sei wahrhaftig!), Relation (Sei relevant!) und Ausdruck (Sei klar!)
    »ER hingegen, der sich möglicherweise moralisch überlegen fühlt, antwortet wirklich auf ihre Frage: ›Weil dieses Ei nicht viereinhalb Minuten gekocht haben kann !‹ Seine Anfangsaussage ›Das Ei ist hart!‹ wird auf variierte Weise wiederholt. Implizit teilt ER

Weitere Kostenlose Bücher