Lost Place Vienna (German Edition)
einer
buddhistischen Schelle glich. Die Türen teilten sich, und eine
Krankenschwester, die der Schönheit der Empfangsdame in nichts nachstand,
verließ lächelnd, aber doch geschäftig die Kabine. Sie roch gut. Parizek dachte
kurz daran, sie etwas zu fragen, und sei es auch nur, um seine Lippen in ihre
Richtung gestülpt zu haben. Aber er unterließ es. Nicht nur weil die Schöne
zielstrebig durch die Vorhalle davoneilte, sondern auch weil er fürchtete, hier
würde man kontrapunktisch in Aussehen und Stimme besetzt.
Parizek stieg in den Aufzug, fuhr in den ersten Stock und ging den
Flur entlang auf das Zimmer zu, in dem Adler liegen sollte. Er klopfte dezent
an die Tür. Es war nicht die Zurückhaltung gegenüber einem todkranken Menschen,
die ihn dazu bewog, sondern der Reichtum, den das Krankenhaus aus jeder Pore
atmete.
Es antwortete niemand. Er drückte die Klinke und trat in das Zimmer.
Indirekte Beleuchtung erhellte die Suite. Anders konnte er den Raum nicht
nennen. Mit einem herkömmlichen Krankenzimmer hatte das hier jedenfalls nichts
zu tun.
Adler lag friedlich im Krankenbett. Dass es nicht aus Gold war, war
alles. Parizek ging darauf zu und versank mit seinen feuchten Schuhen bis zu
den Knöcheln in einem Teppich mit orientalischem Muster. Aus versteckten Boxen
klang klassische Musik. Beethoven oder Brahms. Vielleicht auch Bach, Parizek
kannte sich da nicht so gut aus. Er hörte klassische Musik nur, wenn sie in der
Werbung für irgendeinen Jingle herhalten musste.
Man hatte Adler die Hände gefaltet und über die Decke gelegt. Als
wäre er ein toter Pharao. Fehlte nur noch die Mumifizierung. Parizek mochte die
Atmosphäre, die hier herrschte. So wollte er auch sterben. Das hatte etwas von
Frieden. Er würde die gut riechende Schwester nach der Musik fragen. Er würde
sie sich auf seinen iPod laden, um sie jederzeit parat zu haben. Er stellte
sich vor, wie er einen Bauchschuss bekam, sich noch die Kopfhörer aufsetzte,
den iPod anschaltete und mit der Musik ins schwarze Nichts glitt.
Parizek setzte sich in einen der Ledersessel, wie er sie unten in
der Vorhalle schon bewundert hatte, und lauschte den Violinen. Wäre das Piepsen
der Herzmaschine nicht gewesen, er hätte Adler vergessen. Die Eile war von ihm
gewichen. Erstens konnte er Adler nichts fragen, da er nicht bei Bewusstsein
war, zweitens hatte die angenehm spukhafte Stimmung dieses Vorhofes zum Tod ihm
alle Anspannung genommen. So musste es sein, wenn man Zazen übte. Parizek hatte
davon gehört. Seine Frau meditierte ebenfalls, aber entspannt war sie deswegen
noch lange nicht. Den einzigen Moment der Entspannung hatte sie, wenn sie mit
fünf Einkaufstaschen vom Shopping nach Hause kam und die Fummel vor dem
Wohnzimmerspiegel anprobierte, ehe sie sie in den hundert Meter langen Schrank
stopfte, wo sie dann auf alle Ewigkeit vor sich hin schimmelten. Verstand einer
die Weiber! Die einen sahen klasse aus und krächzten wie heisere Krähen, andere
rochen gut, waren aber in Eile, und die schlimmsten kauften Fummel, die ein
Vermögen kosteten und ihn dorthin getrieben hatten, wo er sich jetzt befand.
Kurz vor dem Aus.
Es war ungerecht, den Frauen die Schuld am eigenen Elend
zuzuschreiben. Aber das Leben war ungerecht, also durfte er es auch sein. Nur
der große Coup, der ihn aus allen Zwängen mit einem Schlag ins brasilianische
Paradies versetzte, wäre gerecht. Aber er wäre ein Narr, wenn er an solche
Zaubereien glaubte. Er sollte den Moment genießen. Den Sessel, die Musik, die
Ruhe. Wenn da nicht dieses nervige Piepsen des Herzapparates wäre. Am liebsten
wäre er aufgesprungen, um den Stecker zu ziehen. Es gab immer jemanden, der
nervte und dem man am besten den Stecker zog, dachte er, stand auf und ging zu
Adler ans Bett.
Er würde den Stecker natürlich nicht ziehen, aber er würde hier auch
nicht ewig auf Adlers Erwachen oder Siechen warten. Er brauchte Klarheit über
seine eigene Situation. Und jede Information, die er über Valentina bekommen
konnte, würde ihm dabei helfen, seine Lage einzuschätzen. Wenn die Mafia
erfuhr, dass er sich von ihnen lossagte, stand er auf deren Abschussliste.
Parizek selbst kannte zwar nur wenige Namen, die er im Ernstfall mit sich
hochgehen lassen konnte, aber er war in einigen krummen Dingern unterstützende
Kraft gewesen, die indirekten Schatten auf weiße Westen werfen konnten.
So oder so, er war bald dran. Das fühlte er, und er hatte keine
Lust, so zu enden wie Adler. Auch wenn der ganz selig mit
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