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Lost Place Vienna (German Edition)

Lost Place Vienna (German Edition)

Titel: Lost Place Vienna (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lost Place Vienna
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er sich die Ohren zuhalten
können. Aber er war zu langsam. Außerdem war es nicht nötig. Diese
Krankenschwester sprach, wie sie aussah und roch. Sirenengleich säuselte ihre
Stimme an Parizeks Ohren. Und hätte sie nicht den Tod Adlers verkündet, Parizek
wäre egal gewesen, was sie zu ihm sagte.
    Er stand auf, nickte stumm, weil er den Nachhall ihrer Stimme nicht
zerstören wollte, und ging.
    Eine Linie Koks wäre jetzt nicht schlecht. Viel besaß er nicht mehr,
zehn Gramm, damit musste er haushalten. Er drückte sich in den Schatten eines
Baums, kramte das Tütchen aus seinem silbernen Zigarettenetui und schnupfte das
weiße Pulver wie Tabak.
    Es kribbelte. Er hatte einen leichten Schnupfen und hoffte, dass er
jetzt nicht niesen musste. Zu ärgerlich, wenn das Pulver sich im Nebel
zerstäubte, ehe es durch die Schleimhäute seinen Weg antreten konnte. Aber es
gelang ihm, das Niesen zu unterdrücken, und langsam schwanden einige der
schwarzgrauen Wolken aus seinem Sichtfeld. Die Welt wurde klarer, er wieder
unschlagbar.
    Federnden Schrittes ging er in die Richtung, in der er sein Auto
geparkt hatte. Ein kecker Lacher entschlüpfte ihm, und er stellte sich vor, wie
er der Kleinen an der Rezeption den Mund zuhielt, während er sich gegen sie
drückte. Dann stieg er in seinen Wagen und fuhr los. Er wusste, wohin.
    * * *
    Valentina hatte das Stück durchgelesen und war darüber
eingeschlafen. Es war kein Laternenlicht mehr, das durch den Türspalt in die
Halle drang, sondern die klare Morgensonne eines Herbsttages.
    Das Stahltor wackelte und lärmte. Valentina schrak aus ihrem kalten
Traum auf. Jemand war draußen vor dem Tor und gedachte es zu öffnen. Sie sprang
auf die Füße, raffte Büchlein und Kissen an sich und stahl sich tastend in die
Tiefe der Halle. Hinter der Guillotine fand sie Schutz. Es war makaber, dass
sie ihren Kopf durch das Henkerloch steckte, um zu erspähen, was sich am
Eingang tat.
    Das Tor schob sich beiseite und ließ die Strahlen der Morgensonne
einfallen. Zwei Männer in Overalls tauchten auf, die sich gegenseitig
bestätigten, dass es mit der österreichischen Fußballnationalmannschaft bergauf
ging. Mit vielen »Wenn« könnte man sich heuer qualifizieren. Dann könnten die
Deutschen ihr zweites Córdoba erleben, lachte der eine, während der andere
abwinkte. Er lästerte über den Direktor des Burgtheaters, der ebenfalls
Deutscher war, worauf der Erste wieder lachte und seinerseits einen Schmäh
tournierte, der wiederum den anderen zum Abwinken zwang. So spielte man sich die
gute Laune hin und her, ehe man sich an einigen Stellwänden zu schaffen machte,
die wohl für das Stück am Abend gebraucht wurden.
    Valentina wartete, bis die beiden mit der ersten Fuhre die Halle
verlassen hatten, und huschte dann an der Hallenwand entlang zum Tor. Die
Bühnenarbeiter waren gerade im Laderaum eines langen Lkws verschwunden.
Valentina nutzte die Gelegenheit und floh aus der Halle.
    Sie wusste jetzt, wo sie war. Unweit erkannte sie die Türme des
Arsenals. Hier oben befanden sich die Probebühnen und wohl auch einige
Lagerhallen des Burgtheaters. Hierhin hatte man sie also verfrachtet. Im
Theater hätte sie wohl die Polizei gefunden. Irgendjemand war offenbar darauf
bedacht, dass dies nicht geschah. Warum? Vor allem: Wer? Und war er jetzt auch
in der Nähe?
    Valentina entfernte sich einige hundert Meter vom Arsenalgelände und
suchte sich eine sonnige Parkbank im Schweizer Garten. Sie setzte sich und sah
sich um. Vielleicht entdeckte sie ihren Beschützer? Sie hatte ja sonst
niemanden mehr, es sei denn, Adler wäre noch am Leben. Das war das Erste, was
sie herausfinden musste. Der Schutzengel, wenn es ihn denn tatsächlich gab,
würde ihr nicht davonfliegen. Ihn konnte sie noch immer suchen, wenn sie gar
niemanden mehr hatte.
    Ihr Blick fiel auf einen Sandler, der auf der anderen Seite des
kleinen Weihers auf einer Parkbank saß und sich an seinem Bein zu schaffen
machte. Für einen Moment dachte Valentina, er würde an seinem Stiefel zerren,
um gleich eine Waffe herauszuziehen und sie damit zu erschießen. Vielleicht
hatte die Kugel im Theater ja gar nicht Adler, sondern ihr gegolten?
    Sie war bereit, sich ins nasse Gras zu hechten, aber der Sandler zog
keine Waffe, sondern schnallte lediglich die Prothese seines Unterschenkels ab.
Es war ein unwirkliches Bild. Er putzte Prothese und Stiefel mit einem Lappen
und stellte den unechten Körperteil dann einen halben Meter von sich weg. So
wie man ein

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