Lost Place Vienna (German Edition)
deutete mit der Mündung seiner Pistole auf den toten
Maskenspieler. »Vielleicht kommt aber auch noch ein dritter Interessent hinzu,
der wissen will, wer hinter der Maske steckt. Vielleicht sind eine tote Maske
und eine tote Inspektorin noch viel mehr wert auf dem freien Markt. Auf der
einen Seite Interessenten, die vertuschen wollen, auf der anderen die Medien,
die nach Quote gieren. Du bist ein Geschäft, in jedem Fall. Nimm ihm das
alberne Ding ab. Ich will wissen, wie Il Cervello aussieht.«
»Glaubst du wirklich, er ist es selbst? Mach dich nicht lächerlich.
Der Strippenzieher würde niemals selbst in eine Figur steigen. Er würde sich
allenfalls Doppelgänger basteln, die er nach Belieben einsetzen kann.«
»Deine Klugscheißerei hat mich schon immer angekotzt. Vom Ehrgeiz
zerfressen, die gute Fleischhacker, aber trocken zwischen den Beinen. Los, nimm
ihm die Maske ab!«
Valentina beugte sich zu dem Toten hinunter und zögerte. Das Leder
der Maske schien noch zu atmen. Ihre Finger berührten die Sehschlitze der
Maske, glitten über das ebenmäßige Relief und packten schließlich den Rand der
Schale.
Die Flammen der Kerzen wurden plötzlich allesamt in die Waagrechte
dirigiert. Ein starker Luftzug hatte ihre Choreografie gestört. Auch Parizek
entging es nicht. Er drehte sich in die Richtung um, aus der er den Luftzug
vermutete; dorthin, von wo auch Valentina und er gekommen waren. Beiden war
klar, dass sich die Tür geöffnet haben musste. Die Flammen stellten sich wieder
auf, schüttelten sich noch einmal und versuchten sich dann wieder in chorischer
Harmonie.
Parizek merkte, dass er ungeschützt zum Abschuss bereitstand. Er sah
sich um, fand aber keine Möglichkeit der Deckung und warf sich auf den Boden.
Mitten im Fall durchlöcherten ihn drei Kugeln. Sein Gesicht verzog
sich zu einem Lächeln, so als freute er sich, dass man drei Patronen an ihn
verschwendete und er doch etwas wert zu sein schien. Dann lag er tot neben dem
Maskenspieler.
Valentina war stehen geblieben. Jetzt würde der Dritte kommen, der
ihr einen Handel vorschlug.
Zwei Gestalten lösten sich aus dem Dunkel und traten näher.
Valentina erkannte sie: Deutsch und die Geiernase. In der Hand hielt Deutsch
die Beretta, mit der er Parizek erledigt hatte. Sie kamen zwischen den beiden
Toten und Valentina zu stehen. Deutsch hielt die Beretta auf Valentina
gerichtet.
»Sie wollen eine Erklärung, nicht wahr?«, fragte Deutsch. »Nun, die
haben Sie sich verdient.« Er atmete tief ein. »Sie glauben an Gut und Böse,
nicht? An eine rein sizilianische Mafia. Ja? So etwas gibt es natürlich, aber
die Grenzen sind viel verschwommener geworden. Kriminelles Lokalkolorit ist
längst überholt. Man denkt globaler. Und aufgrund dieser Schnittstellen sind
wir auf der Suche nach Leuten, die diese Positionen einnehmen können.«
»Wir hatten drei Frauen im Visier«, fuhr die Geiernase fort, »die
bereits hervorragend für uns gearbeitet hatten. Allerdings auf Lokalebene. Um
sie zu testen, hatte Il Cervello für jede einen persönlichen Parcours
errichtet. Doch keine dieser drei Frauen hat das Ziel erreicht. Eine jede hatte
sich in sich selbst verloren, anstatt sich zu finden.«
»Und deshalb hat man ihnen den Kopf abgehackt?«, fragte Valentina
mechanisch, ohne richtig begriffen zu haben, was die beiden ihr da gerade
erzählten. Hatte man die drei Frauen auf eine ähnliche Schnitzeljagd wie sie
selbst geschickt, um zu prüfen, ob sie die Richtigen für eine Schlüsselposition
in der Mafia waren? Und was meinte Deutsch mit »kriminellem Lokalkolorit«? Ging
es am Ende gar nicht um die Mafia? Hing die Cosa Nostra selbst auch nur noch an
Strippen?
»Sehr theatralisch, ich weiß. Das hatten wir gar nicht im Sinn. Es
war klar, dass sie sterben mussten, wenn sie patzten. So sind die Regeln. Aber
die Idee mit dem Köpfen ist uns erst gekommen, als wir auf Sie gestoßen sind.
Glauben Sie mir, es fällt uns nicht schwer, eine Leiche verschwinden zu lassen.
Aber wir wollten Sie damit unter Druck setzen und ködern. Was uns gelungen ist.
Wir haben sozusagen ein Geocaching nur für Sie persönlich entworfen.«
»Wieso ich?«
»Weil wir schon nach den ersten beiden Flops befürchteten, dass wir
uns auch bei Gloria keine Hoffnungen zu machen brauchten.«
»Und wir brauchen dringend jemanden. Der Markt ist fast leer
gefegt«, sagte Geiernase.
»Keine leichte Zeit für Headhunter.« Deutsch lachte über seinen
makabren Scherz.
»Und wie kamen Sie auf
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